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Zwischen Pflicht und Sehnsucht

Zwischen Pflicht und Sehnsucht

Titel: Zwischen Pflicht und Sehnsucht
Autoren: Deb Marlowe
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Stühle an. Wenn ich mich nicht irre, sind das Originale aus dem 17. Jahrhundert, und sie stehen einfach so hier auf der Straße!“ Sie strich liebevoll über eine Lehne. „Oh, Nell, du musst meine Zeichenmappe halten, damit ich mir diesen Klauenfuß näher ansehen kann.“
    Später hätte Sophie nicht genau sagen können, was genau schiefgegangen war. Vielleicht war die Schließe schon locker gewesen, oder vielleicht hatte sie sie selbst versehentlich gelöst. Wie auch immer, sie reichte Nell geistesabwesend ihre Zeichenmappe, und im nächsten Moment klappte sie auf, und alle ihre Entwürfe wurden von einem Windstoß hoch in die Luft getragen.
    Kurz stand Sophie in Panik erstarrt da und sah nur zu, wie ihre unersetzlichen Skizzen sich über die verkehrsreiche Straße verteilten. Dann schritt sie zur Tat. Sie schickte Nell, um die Blätter auf dem Weg hinter ihnen einzusammeln. Sie selbst verfolgte den größten Teil der Papiere, die vor ihnen aufgewirbelt worden waren. Dabei war sie sich bewusst, was für einen Anblick sie bieten musste: Sie rannte, bückte sich, sprang sogar in die Luft, um ein Blatt zu erreichen, das sich auf die Spitze eines eisernen Zauns gespießt hatte, doch das war ihr egal. Diese Entwürfe waren ihre Hoffnung für die Zukunft; sie konnte sie ebenso wenig aufgeben, wie sie einfach so still nach Blackford Chase hätte zurückkehren können.
    Endlich, nach vielen Anstrengungen, war nur noch ein einzelnes Blatt übrig. Es lieferte ihr eine fröhliche Verfolgungsjagd und tanzte immer knapp außerhalb ihrer Reichweite. Jedes Mal, wenn sie es gerade erreicht hatte, wurde es wieder von einer boshaften Böe fortgetragen. Sophie schmerzte der Rücken, und ihr Kleid wurde von Minute zu Minute schmutziger, aber sie weigerte sich aufzugeben.
    Und schließlich war das Glück ihr hold. Direkt vor ihr trat ein Gentleman aus einer Druckerei und verstellte so dem aufsässigen Ding den Weg. Es wurde von einem seiner glänzenden Reitstiefel gestoppt.
    Mit einem triumphierenden Freudenschrei stürzte sich Sophie darauf und schnappte sich das Blatt. Gute Güte, dachte sie, als sie ihr eigenes verzerrtes Grinsen erblickte, man kann sich ja wirklich in den Stiefeln eines Gentleman spiegeln .
    „Das hat das Fass zum Überlaufen gebracht.“ Die Stimme über ihr triefte vor Sarkasmus. „Jetzt kann ich diesen Tag offiziell als den schlimmsten, den ich je erdulden musste, bezeichnen. Mein Kammerdiener wird mich nun ebenso beschimpfen, wie ganz London es schon tut.“
    Sophie kämpfte ein Grinsen nieder, während sie sich langsam aufrichtete und ihr Blick den für sie ungewohnten – und ungewöhnlich erfreulichen – Weg den gut gebauten Gentleman hinaufwanderte. Ein vermögender Gentleman, nach der Qualität seiner Kniehosen – sandfarben – und seines Gehrocks – natürlich blau – zu urteilen, und dann war da sein missmutiges Gesicht …
    Charles!
    Der Schock war so groß, dass sie taumelte und beinahe einknickte. Blitzartig schlang sich ein starker Arm um ihre Taille. Sophie blickte noch einmal in sein Gesicht. Er war es wirklich. Sein Antlitz war nicht ganz dasselbe, aus dem gut aussehenden Jugendlichen war ein attraktiver Mann geworden. Auch seine Augen waren verändert, sie starrten kalt und hart auf sie herab, und doch war es unleugbar und ohne jeden Zweifel ihr Charles Alden.
    Trotz der Peinlichkeit dieser Situation war Sophie so froh, ihn zu sehen, dass sie ihn einfach nur anstrahlte. Die ganze freudige Erwartung, von der sie erfüllt gewesen war, strömte aus ihr heraus, und sie wusste, dass ihr Gesicht vor Glück leuchtete.
    Dieses Gefühl teilte er offenbar nicht. Stattdessen ließ er sie so plötzlich los, als hätte sie eine ansteckende Krankheit. Doch Sophie lächelte nur noch breiter. Er erkannte sie nicht! Oh, Himmel, was für einen Spaß sie sich mit ihm machen konnte!
    „Ich weiß nicht, worüber Sie so vergnügt sind. Das war das schlimmste Beispiel undamenhafter Unverfrorenheit, das ich je erlebt habe, und noch dazu auf offener Straße.“ Er maß sie mit einem strengen Blick. „Sie sehen wie eine Dame aus, aber das scheint auch schon alles zu sein. Wo ist Ihre Begleitung?“
    „Mein Dienstmädchen wird jeden Moment hier sein“, entgegnete sie geistesabwesend. Sie konnte den Blick nicht von ihm wenden. Kein Wunder, dass er einen solchen Ruf als Frauenheld hatte; er war fast unverschämt attraktiv geworden. Jede Wette, dass sich ihm die Frauen reihenweise zu Füßen warfen.
    „Ich
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