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Zwischen Pflicht und Sehnsucht

Zwischen Pflicht und Sehnsucht

Titel: Zwischen Pflicht und Sehnsucht
Autoren: Deb Marlowe
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eine Mutter konnte so viel Bedeutung in einen Seufzer der Verzweiflung legen. „Ich wusste, du würdest es vergessen. Wir haben versprochen, heute Mrs. Lowder zu besuchen, wir beide. Und denk nicht einmal darüber nach, dich da herauszuwinden. Du weißt, Edward Lowder hat Einfluss in wichtigen politischen Kreisen. Außerdem hat Emily Lowder etwas ganz Spezielles in ihrem Haus, das ich dir zeigen möchte.“
    Sie war am Fuß der Treppe angekommen. Charles bot ihr lächelnd seinen Arm. „Herauswinden? Das würde ich nie wagen. Nicht nach dem Zwischenfall bei Tante Eugenie.“
    Lady Dayle lachte. „Ich hätte dich nie auf dein Zimmer geschickt, wenn ich geahnt hätte, dass Phillip so etwas tun würde. Ich dachte schon, wir müssten die Tür einschlagen. Weißt du, dass wir den Schlüssel bist heute nicht wieder gefunden haben?“
    Er konnte den Stich nicht verbergen, den ihm die Erwähnung seines verstorbenen Bruders Namen versetzte. Seine Mutter bemerkte es und blieb stehen, um ihre Hand auf seine Wange zu legen. „Das waren glückliche Zeiten, Charles. Es ist nicht falsch, sich an sie zu erinnern.“ Liebevoll zupfte sie sein Krawattentuch zurecht. „Und wir werden wieder glückliche Zeiten erleben. Ganz sicher.“
    Beinahe konnte er ihr glauben. Er sah, wie sie lächelte. Vor ein paar Wochen war sie mit neuem Elan von Fordham nach London zurückgekehrt, trug ständig irgendeine Liste mit sich herum, und er hatte sie seither kaum zu Gesicht bekommen. Bezüglich des Avery-Skandals hatte er sie vorgewarnt, doch sie hatte einfach gelacht und wartete nur darauf, dass jemand es wagte, ihren Sohn in ihrer Gegenwart zu verunglimpfen.
    „Wie ist es dir auf der Jagd ergangen?“, fragte sie jetzt. „Du hast die Gerüchteküche definitiv angeheizt. Es hat sich herumgesprochen, dass der verruchte Lord Dayle eine Frau sucht, die ihn zähmt. Gewiss ist das Schlimmste vorbei, wenn eine Krämerseele wie Lavinia Ashford dir gestattet, ihren Salon zu betreten.“
    In diesem Moment fuhr die Kutsche vor und bewahrte ihn davor, darauf etwas erwidern zu müssen, doch seine Mutter wollte das Thema nicht fallen lassen. Sie entlockte ihm die Namen der Kandidatinnen und nahm dann genussvoll jede einzelne so geschäftsmäßig auseinander, als wären die jungen Damen nicht mehr als ausgewählte Leckerbissen in einer Konditorei. „Wenn es tatsächlich dein Wunsch ist, ein Musterbild des Anstands zu heiraten, kommen nur drei oder vier Mädchen wirklich in Frage. Fast jede von ihnen ist jetzt in der Stadt. Du solltest genug Zeit haben, um sie alle kennenzulernen und die beste zu wählen.“
    Es versetzte Charles einen kleinen Stich, dass seine Mutter so kaltblütig über seine Heirat sprach. Einen wesentlich größeren Stich versetzte ihm der Gedanke an die langen Jahre, die vor ihm lagen, in denen er an eine farblose Vogelscheuche gekettet sein würde. Dann, plötzlich wie eine Sommerbrise, stieg ein Bild vor ihm auf – dunkle, vom Wind zerzauste Locken, lachende Augen, ein strahlendes Lächeln. Die unkonventionelle junge Dame aus Cheapside.
    Die exotische kleine Schönheit hatte sich mehr als einmal in seine Gedanken geschlichen, seit sie sich begegnet waren. Dieses Lächeln – immer wieder musste er daran denken. Vielleicht erinnerte sie ihn an jemanden? Intelligent und witzig und auch noch schön, wie sie war, wäre sie sicherlich die angenehmere Alternative zu seinen Kandidatinnen.
    Nur hatte er keine Wahl. Und sollte sie auch nicht haben. Ein kaltes Ehebett im Tausch gegen lebenslange Glaubwürdigkeit. Sicherlich war das ein fairer Handel. Und er sollte allen Himmelsmächten auf Knien für jede noch so trübe Aussicht danken, denn er hatte das große Glück, überhaupt eine Zukunft zu haben.
    Diese Überlegungen versetzten ihn in grimmige Entschlossenheit. Er würde durchhalten, würde alles opfern, um seinen Erfolg zu gewährleisten. Sein Vorsatz hielt an, während sie Mayfair durchquerten und seine Mutter weiter plapperte, und blieb fest bis zu dem Moment, als er den Salon der Familie Lowder betrat. Er hätte vielleicht noch die ganze Saison hindurch weiter bestanden und ihm über die anstrengenden nächsten Wochen hinweggeholfen, wären ihm nicht ein Paar Fußgelenke ins Blickfeld geraten.
    Ein sehr ansehnliches Paar Fußgelenke und genau auf Augenhöhe befindlich. Grimmige Entschlossenheit hatte keine Chance; sie schmolz unter dem geballten Ansturm von Überraschung und reiner männlicher Anerkennung dahin.
    „Sind die Gäste
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