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Zwischen Pflicht und Sehnsucht

Zwischen Pflicht und Sehnsucht

Titel: Zwischen Pflicht und Sehnsucht
Autoren: Deb Marlowe
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Wort haben, dachte sie. Oh, wie würde sie ihre nächste Begegnung genießen.
    Jemand hinter ihr schnappte leise nach Luft. Als sie sich umwandte, stand Nell vor ihr, reichte ihr ein Bündel Papiere und fuhr sich über die Stirn. „Wer war der Gentleman, mit dem Sie gesprochen haben, Miss? Er sah ein wenig verärgert aus.“
    „Das, liebe Nell, war kein anderer als der verruchte Lord Dayle.“
    „Nein!“, rief das Dienstmädchen, mehr neugierig als schockiert.
    „Doch. Obwohl ich ihn als meinen Ritter in strahlender Rüstung in besserer Erinnerung hatte.“
    Nell hatte heute Morgen schon zu viel mitgemacht, um diskret zu bleiben. „Na, dann hat die Rüstung aber den einen oder anderen Kratzer abbekommen.“
    „Es scheint ganz so“, erwiderte Sophie nachdenklich. „Aber es könnte großen Spaß machen, sie wieder aufzupolieren.“
    Nell schüttelte nur den Kopf. „Wenn Sie das sagen, Miss.“

3. KAPITEL
        
    Miss Corinne Ashfords Hand war schlaff und kühl, als Charles sich zum Handkuss darüberbeugte. Ebenso ihr Gesichtsausdruck, als er sich von ihr verabschiedete. Trotzdem waren Charles’ Schritte leicht, als er hinaus auf die Portmann Street trat und sich auf den Heimweg machte.
    Zum ersten Mal seit diesem verfluchten Zeitungsartikel hatte er das Gefühl, wieder atmen zu können. Natürlich war er entlastet worden, als bekannt wurde, dass es sich bei dem dunkelhaarigen Mann, der durch Lady Averys Fenster geklettert war, um Lord Averys Kammerdiener handelte. Und die Gesellschaft hatte sich auf neue und noch pikantere Gerüchte gestürzt, als die nicht mehr ganz taufrische Dame mit dem jungen Kerl, einer Menge Bargeld und den Familienjuwelen durchgebrannt war.
    Trotzdem ließ die Presse nicht von ihm ab. Nur dürftig verschlüsselte Anspielungen tauchten in jedem Skandalblatt auf. Plötzlich boten seine Jugendsünden wieder Nahrung für Klatsch und Tratsch.
    Wild, leichtfertig, ruhelos – das waren Bezeichnungen, an die er sich in seinen siebenundzwanzig Jahren gewöhnt hatte, die Etiketten, mit denen eine entrüstete Gesellschaft ihn nur zu bereitwillig abgestempelt hatte. Und er hatte sie sich ehrlich verdient. Er hatte seine Jugend in einem Taumel aus Leichtlebigkeit, leichten Mädchen und leichtsinnigen Streichen verschwendet. Kurz, er hatte sein Leben in vollen Zügen genossen.
    Aber diese Sorglosigkeit gehörte einer anderen Zeit an. Nach dem Tod seines Vaters und des Bruders hatte sich sein Leben grundlegend geändert. Es hatte als Buße begonnen, die er sich, von Reue und wilder Entschlossenheit getrieben, selbst auferlegt hatte, und auch wenn Kummer und Schuldgefühle immer noch schwer auf ihm lasteten, hatten ihn die Arbeit auf seinem Besitz und sein politisches Engagement davor bewahrt, den Verstand zu verlieren. Irgendwann war er sogar zu einem Punkt gekommen, an dem er seine Erfolge genießen und tatsächlich an eine Zukunft glauben konnte.
    Bis dieser lächerliche Artikel erschienen war. Nun wurde sein Name wieder mit Skandal und Laster in Verbindung gebracht. In den Parlamentssälen von Westminster wie auch in den Salons von Mayfair wurde er neuerdings beträchtlich kühler empfangen. Und trotz all seiner Anstrengungen hatte er immer noch keine Ahnung, wer seinen Namen in den Schmutz ziehen wollte.
    Also hatte er sich vorläufig auf seine Brautschau konzentriert und nach sorgfältigen Erwägungen beschlossen, dass Miss Ashford genau die Richtige war, um seinen angeschlagenen Ruf zu retten. Die Tochter eines Barons gehörte einer Familie an, die für ihren eisernen Konservativismus bekannt war. Elegant, hochgewachsen und ausgesprochen stolz, trug sie ihre Ehrsamkeit wie einen Mantel um ihre Schultern. Charles hoffte nur, dass er groß genug war, um seine eigenen Sünden zu bedecken.
    Tatsächlich hatte er fast erwartet, abgewiesen zu werden, als er begann, der Dame seine Aufwartungen zu machen, aber die harte Arbeit des letzten Jahres – oder sein Titel und sein Vermögen – hatten ihm die Tür geöffnet. Wie weit er von dort aus kommen würde, blieb abzuwarten.
    Als er nun durch seine eigene Haustür trat, war er so zufrieden wie seit Wochen nicht mehr. Er traf auf seine Mutter, die die Treppe hinunterkam und ihre Handschuhe zurechtzupfte. „Sie gehen aus, Mutter?“
    „Ganz richtig, und du begleitest mich. Bitte lass die Kutsche anspannen, Lieber. Wir wollen auf keinen Fall zu spät kommen.“
    Charles bedeutete einem Lakaien, sich darum zu kümmern. „Zu spät wozu?“
    Nur
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