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Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Titel: Zwischen Olivenhainen (German Edition)
Autoren: Lisa Wirthl
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kühl.
    „Scheiß auf das Frühstück“, sagte Leslie und trat wieder auf ihn zu. „Was, verdammt noch mal, ist los?“ Sie ergriff seine Hand, in der er sein Handy hielt. Fest umklammert. Er schien nicht zu merken, dass sie seine Hand hielt. Als er sie ansah, wich sie erneut vor ihm zurück. Unter seinen tiefbraunen Augen lagen dunkle Schatten. Zwischen seinen dichten Brauen hatte sich eine tiefe Falte gebildet.
    „Ich weiß, dass ich dir versprochen habe, heute etwas mit dir zu unternehmen“, sagte er mit fester Stimme, „aber –“. Er stockte. Sah hinab auf sein Handy. Auf Leslies Hand, die noch immer auf seiner lag. Beinahe schien es, als habe er Angst weiterzusprechen. Dann blickte er ihr fest in die Augen, als er sagte: „Ich habe keine Zeit, Leslie. Tut mir leid. Ich muss eine Beerdigung vorbereiten.“ Sie sah nur wortlos zu ihm auf, verstand nicht ganz, um was es ging. Sie schluckte.
    „Für wen?“, brachte sie schließlich hervor. Eine Sekunde lang dachte sie, er würde ihr nicht darauf antworten, sich einfach umdrehen und zurück ins Haus gehen, aber er blieb. Jetzt fiel ihr der schwarze Anzug auf, den er trug, die schwarze Krawatte. Alles an ihm schien dunkel zu sein. Ein verbitterter Ausdruck erschien auf seinem Gesicht, als er sie ansah.
    „Mario Andolini“, sagte er. Sie brachte keinen Ton hervor. Brachte es noch nicht einmal fertig zu atmen. Sie hielt einfach die Luft an. Und starrte Raffaello an. Ihre Lippen zitterten, als sie sprach.
    „Was? Wie …?“, war das Einzige, das sie in diesem Moment hervorbringen konnte. Ihr wurde schlecht. Erbärmlich schlecht.
    „Es ist besser, wenn du das nicht erfährst, glaub mir“, entgegnete er tonlos. „Ich habe die Nachricht vergangene Nacht noch erhalten. Der Anschlag galt mir.“
    „Was?! Schon wieder?!“, rief sie entsetzt und er nickte.
    „Aber sie haben Mario erwischt“, sagte er mit einer solchen Verbitterung in der Stimme, dass Leslie schauderte und noch einen Schritt vor ihm zurückwich. „Ich habe auf dich gewartet, um dir Bescheid zu sagen, aber jetzt muss ich los und mich um alles kümmern, in Ordnung?“ Es war keine Frage. Diesen Entschluss hatte er schon in der Nacht gefasst. Hastig nickte Leslie und er machte sich von ihr los, als sie seine Hand nicht losließ. Er schien die Ruhe selbst zu sein, doch sie wusste es besser. Unter dieser Maske brodelte es. Wie in einem Vulkan. Mordgedanken über Mordgedanken. Vermutlich rechnete er gerade aus, wie viel Kilo Sprengstoff er brauchen würde, um den oder die Verantwortlichen in die Luft zu jagen.
    „Ich hole dich ab, wenn es so weit ist. Es könnte sein, dass ich ein paar Tage nicht nach Hause komme, tut mir leid“, sagte Raffaello, dann drehte er sich um und verschwand im Haus. Wenig später hörte sie ihn telefonieren, dann eine Autotür zuschlagen und schließlich raste er die Auffahrt hinunter. Er war weg.
    Sie war alleine. Alleine mit den unsichtbaren Leibwächtern, die wahrscheinlich noch immer zwischen den Bäumen standen. Alleine mit der Nachricht von Marios Tod. Sie sank einfach in sich zusammen, kauerte auf dem heißen Steinboden und versuchte zu weinen, wie es sich gehörte. Aber es kam keine einzige Träne hervor. Sie saß einfach nur da, auf der Terrasse, starrte vor sich hin und wusste nicht, wie sie in diesem Moment einen klaren Gedanken fassen sollte.
    Einige Tage später erschien Raffaello, um sie abzuholen. Er half ihr, in ein langes, schwarzes Kleid zu schlüpfen, dann führte er sie an der Hand zu seinem Maserati. Alles schien schwarz zu sein an diesem Tag. Die Fahrt durch Palermo bekam Leslie gar nicht richtig mit. Sie schaute nur stumm geradeaus auf die Fahrbahn, genau wie Raffaello, der seine Sonnenbrille aufgesetzt hatte. Er schien nicht vorzuhaben, sie auch nur ein einziges Mal abzusetzen.
    Der Friedhof lag weit außerhalb der Stadt mitten auf dem Land. Einsam und verlassen wirkte die flache Gegend. Verdorrtes, hellgelbes Gras wiegte im sanften Wind auf den Hügeln hin und her, hier und da ragte ein einzelner Olivenbaum in den tiefblauen Himmel. In der Ferne zeichneten sich Berge ab. Glühende Hitze lag über dem gesamten Land, als Leslie im Schatten einiger Akazien aus dem Wagen kletterte. Eine ganze Karawane anderer Autos parkte vor ihnen. Allesamt teuer und schwarz wie die Nacht. Männer in schwarzen Anzügen standen dazwischen und auch die Frauen waren allesamt in Schwarz gekleidet. Viele trugen Kopftücher oder hatten die Haare hochgesteckt.
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