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Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Titel: Zwischen Olivenhainen (German Edition)
Autoren: Lisa Wirthl
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Woche über in Argyll als Verkäuferin. Leslies Dad hatte die Familie vor zwei Jahren verlassen und Leslie hasste ihn dafür. Er wohnte in der Nähe in einem kleinen, altertümlichen Dorf, aber sie besuchte ihn nie. Sie wollte es nicht. Leslies große Schwester Grace war schon 21 und längst ausgezogen. Sie wohnte jetzt mit ihrem Freund in London. Oft beneidete Leslie sie darum, obwohl sie große Städte eigentlich nicht mochte.
    „Leslie!“, rief Anne. Sie stand schon unter der großen Eiche an der Bushaltestelle, winkte ihr zu und trat dabei von einem Fuß auf den anderen. Ihre Stoffschuhe waren längst klatschnass. Kein Wunder, dachte Leslie, wenn sie immer nur Turnschuhe trägt. Leslie selbst musste die alten Gummistiefel ihrer Schwester tragen, aber sie gefielen ihr, weil sie das Muster des Clans der McEvans abbildeten. Jeder Familienclan in Schottland hatte sein eigenes Schottenmuster. Diese Tradition war bis heute erhalten geblieben und irgendwie fand Leslie es schön, dass es in der heutigen Zeit noch ein paar Überbleibsel von früher gab.
    „Leslie, wir haben ihn sowieso verpasst, du kannst also getrost stehen bleiben!“ Anne klang genervt, als Leslie bei ihr ankam. Ihr langes Haar klebte in nassen Strähnen an ihrem Gesicht, scheinbar war ihre Kapuze nicht ganz so wasserdicht.
    „Wen?“, fragte Leslie. „Den Bus oder deinen Mike?“
    „Beide!“
    „Na dann.“ Leslie zuckte die Achseln und grinste Anne verschwörerisch zu. Diese wich ihrem Blick fast schon genervt aus, aber ihre Wangen glühten. Sie schwärmte schon lange für Mike, den nach Leslies Meinung nicht ganz so gut aussehenden Typen aus der 12. Er fuhr meistens, genau wie sie, um die gleiche Zeit mit dem Bus nach Hause, aber bisher hatte er Anne keine Beachtung geschenkt, außerdem hatte er eine Freundin, was Anne geflissentlich übersah.
    „Du und dein Mike“, spottete Leslie grinsend. „Was ist? Kommst du nachher noch mit ins Kino? Vielleicht siehst du ihn ja da …“
    Aber Anne schüttelte den Kopf. „Ich muss nach Hause, Hausaufgaben machen.“
    „Es ist doch Wochenende – du hast genug Zeit!“
    „Ich weiß“, sagte Anne und sah mit einem Mal ein wenig traurig aus. „Dad verbietet mir auszugehen wegen des blöden Wettkampfs am Freitag.“
    Anne war von Natur aus ziemlich sportlich, das hatte sie von ihrem Vater geerbt, wie dieser immer behauptete, aber er übertrieb es wirklich mit seinen Trainingsstunden. So manche geplanten Übernachtungspartys mit Gesichtsmasken und Horrorfilmen waren ihr schon gestrichen worden und Leslie war deswegen nicht besonders gut auf Annes Vater zu sprechen.
    „Er ruiniert dein Leben“, murmelte sie teilnahmsvoll und tätschelte Anne die nasse Schulter. „Naja, wir sehen uns hoffentlich morgen.“
    Dann machte sich Leslie auf den Heimweg. Zu Fuß. Sie hatte keine Lust mehr auf den Bus zu warten, sie würde genauso nass werden, auch, wenn sie hier stehen bleiben würde, um zu warten. Anne wohnte auf der anderen Seite von Oban, deswegen fuhren sie meistens zusammen zu Leslie oder zu Anne, wenn sie sich nach der Schule treffen wollten. Aber Anne musste Tennis üben. Und Leslie auf Benny aufpassen. Nichts mit Kino. Sie hasste es. Den ganzen, verfluchten Tag.

2
    Am nächsten Morgen wurde Leslie vom kurzen, aber lauten Piepen ihres Handys geweckt. Wütend drehte sie sich auf die andere Seite und zog sich die Bettdecke über den Kopf, damit sie das dumme Ding nicht hören musste. Es piepte erneut. Manchmal stand sie kurz davor, es gegen die Wand zu pfeffern.
    „Piiieeep.“
    „Halt die Klappe!“, murrte Leslie verschlafen, tastete nach ihrem Wecker und rappelte sich gleich darauf erschrocken auf. Samstag, schoss es ihr durch den Kopf, Anne!
    Fluchend verschwand sie im Bad, um zu duschen, ohne ihr Handy weiter zu beachten. Leslie hatte sich für heute um zehn mit Anne verabredet, jetzt war es schon Viertel vor elf. Auf Benny musste sie heute Gott sei Dank nicht aufpassen, der war am Freitagabend zu ihrem Vater gefahren. Ihre Mom schlief wahrscheinlich noch. An Wochenenden bekam Leslie sie noch weniger zu Gesicht, als sonst, was daran lag, dass sie freitags oft den ganzen Tag von Argyll nach Oban fahren musste und abends so müde war, dass sie das ganze Wochenende verschlief – an dem sie auch gut hätte mit ihrer Tochter etwas unternehmen können. Aber Leslie hatte sich daran gewöhnt, dass so gut wie nie jemand zu Hause war, außer ihr und Benny. Es war ihr Alltag. Ganz normal und oft sogar
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