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Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Titel: Zwischen Olivenhainen (German Edition)
Autoren: Lisa Wirthl
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nicht, wie du so blind und verschossen sein kannst …“
    „Ich liebe ihn“, platzte es aus Leslie heraus, bevor sie es verhindern konnte.
    „Wie romantisch“, murrte Anne und mit einem Mal schien sie mit den Gedanken weit fort zu sein. „Hör mal, Leslie, wir können gerne morgen noch mal telefonieren, aber ich bin ehrlich gesagt todmüde – und jetzt mitten in der Nacht hab’ ich keinen Bock, mir deine Schwärmereien über deinen Typen anzuhören, der Antonio –“.
    „Hey, du hast angefangen mich nach ihm zu fragen!“, verteidigte sich Leslie.
    „Schon gut, schon gut“, seufzte Anne. „ Sorry . Darf ich jetzt essen?“
    „Nur zu“, murrte Leslie und wollte schon auflegen, doch Anne nuschelte noch schnell ein: „Ich vermiss dich auch“, dann war die Verbindung unterbrochen.
    Leslie saß auf dem Mühlstein, baumelte mit den Beinen und starrte in die Nacht hinaus. Keine einzige Eidechse war auf der niedrigen Gartenmauer zu sehen. Es war still. Die ganze Insel schien tief und fest zu schlafen. Sogar der Mond wirkte mit einem Mal müde und schwach. Eine einzelne Grille zirpte verlassen im hohen Gras. Leslie atmete tief die klare Nachtluft ein, dann sprang sie vom Mühlstein – und erstarrte auf der Stelle, als ihr Blick auf eine dunkle Gestalt fiel, die reglos im Schatten des Hauses verharrte.
    „Ich weiß, dass ich mir mehr Zeit für dich nehmen sollte“, sagte Raffaello. Leslie atmete auf und sank erleichtert zurück auf den Mühlstein.
    „Hast du alles gehört?“, fragte sie vorsichtig. Sein Gesicht war überzogen von Schatten, sein wirres Haar wehte im sanften Wind, als er auf sie zukam. Er nickte.
    „Oh Gott …“, murmelte Leslie gequält und zog eine Schnute. Sie wollte vor Scham am liebsten im Boden versinken wegen Annes bescheuerter Fragen. Seine tiefbraunen Augen blitzten auf.
    „Ich küsse dich also zu wenig?“, fragte er beinahe lauernd und grinste spitzbübisch. Leslie wich seinem Blick aus.
    „Nein, so hab’ ich das nicht gemeint“, murmelte sie, doch da war er schon bei ihr angekommen. Seine Hände legten sich auf ihre Taille. Sie konnte seinen Atem auf den Lippen spüren, so nahe war er ihr.
    „Wir unternehmen was zusammen“, sagte er leise. „Morgen, ja?“ Leslie nickte, zu erstarrt von dieser plötzlichen Nähe. Er war immer noch so umwerfend, dass ihr die Luft wegblieb.
    „Und was?“, krächzte sie, bemüht, gleichmäßig ein- und auszuatmen. Doch er grinste nur und im nächsten Augenblick spürte sie seine Lippen auf ihren.
    „Das lass mal meine Sorge sein“, raunte er leise. „Aber ich denke, es wird dir gefallen. Und jetzt halt den Mund“, sagte er grinsend, als sie etwas erwidern wollte, „sonst schaffe ich es nicht mehr, in dieser Nacht alle Küsse nachzuholen, die du verdient hast.“

51
    Es war die ungewohnte Stille, die Leslie am nächsten Morgen weckte. Keine Grille zirpte, kein Tier raschelte im hohen Gras, kein Vogel zwitscherte. Noch nicht einmal der leiseste Wind regte sich. Es war so still, als habe die gesamte Insel beschlossen auszuruhen. Beinahe war es schon gespenstig. Benommen hob Leslie den Kopf und setzte sich auf. Sie saß auf einer der beiden blau-weiß gestreiften Liegen, die Raffaello in der Nacht hinter dem Haus hervorgeholt hatte. Sie sah sich nach ihm um. Er war nicht mehr da. Vor ein paar Stunden hatte er noch neben ihr gelegen, daran erinnerte sie sich genau. Sie hatte sich an ihn gelehnt und war todmüde, aber glücklich eingeschlafen. Und jetzt war er weg. Nur ihre Kleider lagen noch verstreut auf dem Boden. Leslie zog eine Schnute, ärgerte sich ein paar Minuten darüber, dass er kam und ging, wann er wollte. Dann schwang sie die Beine über den Rand der Liege, schlüpfte hastig in ihr Kleid und stand auf. Als sie die Tür zum Wohnzimmer öffnen wollte, stieß sie beinahe mit Raffaello zusammen, der im Türrahmen stand, mit verschränkten Armen, und ihr entgegenblickte. Seine Miene war so ausdruckslos, seine Augen so dunkel, dass sie erschrocken einen Schritt zurückstolperte.
    „ Buon giorno “, stammelte sie verwirrt, doch sein Blick glitt an ihr vorbei, schien sich in weiter Ferne zu verlieren.
    „Was ist?“, fragte sie.
    „Wenn du Hunger hast“, sagte er nur, „in der Küche ist noch was von dem Frühstück, das ich dir gemacht habe.“ Seine Stimme klang so anders als sonst. Hart. Fast wütend. Und sie meinte, einen verbitterten Unterton heraushören zu können. Er war ein einziger Schutzschild. Abwehrend und
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