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Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Titel: Zwischen Olivenhainen (German Edition)
Autoren: Lisa Wirthl
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Leslies wehten offen im Wind. Einige Gruppen waren schon auf dem Weg zum Friedhof, doch die meisten schienen noch zu warten. Auf Raffaello. Ihren Boss, dachte Leslie und schluckte, als sie verunsichert zu ihm hinübersah.
    Alle Blicke schienen auf ihn gerichtet zu sein. Er verzog keine Miene, nickte nur einigen seiner Leute knapp zu und nahm Leslie dann bei der Hand. Sie fühlte sich entsetzlich unwohl, während sie neben ihm her durch das breite, schmiedeeiserne, verrostete Tor ging und den Friedhof betrat. Sie drehte sich nicht um, sie konnte auch so hören, dass ihnen Raffaellos Leute sofort auf Schritt und Tritt folgten. Vier riesig aussehende Männer, bullige Typen mit Sonnenbrillen und finsteren Gesichtern, gingen direkt hinter und neben ihnen. Leslie nahm an, dass es Leibwächter waren. Bodyguards. Solche, die sich ohne zu zögern für ihren Boss in den Kugelhagel werfen und für ihn sterben würden. Sie schluckte. Ein Schauer lief ihr über den Rücken.
    Es war schattig unter den alten Bäumen. Zypressen wuchsen zwischen den uralten Grabsteinen und warfen lange, dürre Schatten über den Kiesweg. Schirmakazien ragten vor der Friedhofsmauer auf, erhoben sich dunkel und unheilvoll in den strahlend blauen Himmel. Leslie fröstelte, doch das lag vermutlich nur an all den Männern in Anzügen, an den Bodyguards und daran, dass sie sich auf einem Friedhof befand. Sie hatte Friedhöfe noch nie leiden können. Es sah aus wie im Film. Wie in einem der typischen Mafiafilme, in denen ehrenwerte Männer eines unnatürlichen und plötzlichen Todes starben und vor versammelter Familie begraben wurden. Wie ein Stummfilm, denn keiner der Anwesenden sagte ein Wort. Alle folgten Raffaello und Leslie mit versteinerten Gesichtern und ruhigen Bewegungen. Zögernd sah Leslie zu Raffaello hinüber, doch der würdigte sie nicht eines Blickes, sondern schritt langsam, neben ihr her auf einen sanft anlaufenden Hügel zu, auf dem sich schon einige Menschen versammelt hatten. Ein Sarg stand dort, fast gänzlich verdeckt von bunten, prachtvollen Blumensträußen. Auch einen Priester konnte Leslie erkennen. Und Serafina. Sie stand ein ganzes Stück entfernt von der Gruppe im Schatten einer Akazie.
    Noch mehr ehrenwerte Herren blickten ihnen entgegen, einige nickten Raffaello zu, andere musterten ihn nur mit versteinerter, fast schon verächtlicher, feindschaftlicher Miene und Leslie schätzte, dass dies nicht unbedingt seine Freunde waren. Sie fragte sich, warum sie dennoch gekommen waren.
    Raffaello trat dicht an das ausgehobene Grab im Boden heran, nur Zentimeter trennten ihn von der sauberen Kante. Leslie stellte sich vorsichtshalber ein Stück hinter ihn und wich den vier Leibwächtern aus, die sich links und rechts neben Raffaello aufreihten und in Anbetracht dessen, dass dies der zweite missglückte Anschlag auf sein Leben gewesen war, schien ihr diese Sicherheitsmaßnahme noch vollkommen zu wenig.
    Auf der gegenüberliegenden Seite, ein ganzes Stück von dem Grab entfernt, ragte ein uralter Olivenbaum in die Höhe. In dessen Schatten lehnte ein Mann am Stamm, die Arme verschränkt, die Beine übereinandergeschlagen. Fast lässig wirkte er, entspannt. In dem schwarzen Nadelstreifenanzug konnte man ihn allzu leicht übersehen, doch Leslies Blick entging er nicht. Er wirkte irgendwie fehl am Platz mit der riesigen Sonnenbrille und dem merkwürdigen Hut, der aussah, wie aus alten Gangsterfilmen. Fröstelnd wandte Leslie den Blick von ihm ab, als sie spürte, dass er sie direkt ansah.
    Der Priester hatte bereits mit seiner Predigt begonnen, er sprach Italienisch und Leslie verstand kein Wort, aber das war ihr sowieso lieber. Und trotzdem flammte jedes Mal, wenn Marios Name fiel, ein stechender Schmerz in ihrer Brust auf. Einige Minuten später ließen vier von Raffaellos Männern schließlich den Sarg an Seilen hinab in das Loch in der Erde. Leslie wusste, dass sie hätte weinen sollen, ihre Aufmerksamkeit dem Sarg, dem Priester und Raffaello hätte widmen sollen, doch ihr Blick schweifte erneut ab.
    Der Mann im Schatten des Olivenbaumes beobachtete das Geschehen aus der Ferne und Leslie glaubte ihren Augen nicht zu trauen, als sie sah, wie er irgendeine Tüte aus seinem Jackett holte und sich ab und zu etwas von deren Inhalt in den Mund schob. Als sei er im Kino und äße Popcorn. Entrüstet sah sie zu Raffaello hinüber, dessen Blick sie aufgrund der verspiegelten Sonnenbrille nicht erkennen konnte, aber sie hätte schwören können,
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