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Zwischen dir und mir

Zwischen dir und mir

Titel: Zwischen dir und mir
Autoren: Lino Munaretto
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Cheeseburger garniert war, von den Lippen leckte. Er war schon verdammt dick. Aber Georg ging damit locker um und machte sich keinen Kopf.
    »Ruhe, dahinten. Und bitte kein Essen während der Stunde, Georg.«
    Das fettgetränkte Verpackungspapier raschelte unter dem Tisch und Georg schluckte unter Herrn Bauses Aufsicht einen letzten Bissen herunter. Herr Bause war einer von den Lehrern, die sich mit Schülern wie Alex inoffiziell auf eine Art einvernehmliches Desinteresse geeinigt hatten.
    Am Ende bekam jeder von ihnen eine Vier minus und das Jahr war gerettet. »Damit ihr wenigstens Klempner werden könnt oder die Müllabfuhr euch nimmt«, war sein üblicher mitleidiger Kommentar, und sie nahmen es dankbar an. Alex hätte ihm das Entgegenkommen irgendwie gerne mehr gedankt. Er bemühte sich zumindest so zu tun, als ob er sich konzentrierte. Kein Handy unter dem Tisch und immer auf die Tafel schauen. Meistens gab er diese Bemühungen schon nach der Hälfte der Stunde auf.
    Es klopfte noch einmal an der Tür. »Herein«, bat der Biologielehrer den letzten Nachzügler, wunderte sich aber mit der ganzen Klasse, wer das sein konnte. Nur Lisa, Klassenbeste, die nie zu spät kam, fehlte noch. Sie musste krank sein. Vielleicht war es der Hausmeister, der endlich die flackernde Leuchtstoffröhre austauschen würde.
    Aber nein. In der Tür stand sie. Lisa. Die Jungs schauten automatisch von ihren Handys auf, selbst die Streber ließen den Blick von ihren Schulbüchern. Einige sahen sicherlich in ihre großen braunen Augen, die meisten bewunderten ihre vollen Brüste, die sie mit gerade fünfzehn Jahren schon hatte. Der Rest konnte sich wohl nicht entscheiden, wo ihr Blick hinfallen sollte.
    Alex schüttelte den Kopf. »Das Klassenzimmer ist kein Laufsteg«, zischte er Georg zu, der sich nicht davon abhalten ließ, sie weiter anzustarren. Selbst Alex, der dagegen ankämpfte, schielte kurz hoch von seinem Tisch. Nur ganz flüchtig. Das hieß noch lange nicht, dass er auf sie stand!
    Es konnte nicht sein – doch – sie schaute zu ihm. Der Moment am See. Nur ganz kurz hatte sie ihre Augen auf ihn gerichtet – aber sie hatte ihn angeschaut. Ganz sicher. Eine Sekunde hatten ihre Blicke sich getroffen!
    »Gib’s zu, du findest sie auch ganz geil.« Julian musste seine Abwesenheit bemerkt haben und klopfte ihm auf die Schulter. »Kein Wunder, bei den Titten.« Julian redete immer so über Mädchen. Eine Freundin hatte er nie gehabt. Dafür die größte Pornosammlung, die man auf einem Rechner speichern konnte.
    Alex überlegte, ob es das war, was ihn an ihr reizte. Ihre Brüste. Ihr Körper. An Lisa gab es keinen Makel. Das stimmte.
    Aber das war es nicht an ihr, was ihn immer verwirrte.
    »Entschuldigen Sie bitte, Herr Bause, ich habe meinen Bus verpasst«, entschuldigte Lisa sich höflich.
    Alex sah zu, wie sie sich eilig zu ihrem Platz schlich und neben ihrer besten Freundin Marie Platz nahm.
    Marie hatte ein schmales Gesicht, dessen Blässe von ihren schwarzen Haaren noch unterstrichen wurde. Das dunkle Make-up half nicht viel. Knappe Klamotten und ein Push-up, mit dem sie ihre Brüste hervorzuheben versuchte. Marie sah nicht schlecht aus – aber neben Lisa verblasste sie total.
    Alex schüttelte den Kopf als etwas verspätete Antwort auf Julians Frage. Trotzdem konnte er sich nicht von Lisas Anblick lösen. Es war nicht das, was er sofort sah, sondern das, was sie verborgen hielt, was ihm Rätsel aufgab. Und dass sie etwas versteckte, da war er sich sicher.
    Endlich wendete er seinen Blick ab. Draußen lag der Schulhof leer und verlassen da – keine Ablenkung. Nicht mal ein Windhauch, der seine Gedanken hätte davonfliegen lassen können. Nur die heiße Luft flimmerte über dem staubigen Asphalt.
    Das Schuljahr neigte sich dem Ende zu. Das Schwimmbad wartete. Die Stunde verstrich quälend zäh. Mit jedem Blick zur Uhr musste Alex feststellen, dass sich der Zeiger heute noch langsamer bewegte als sonst.
    »Wir kommen zu den Noten.« Herr Bause riss Alex aus den üblichen Grübeleien und stürzte ihn in neue Ungewissheit. Eine Vier. Klar, wieder eine Vier. Die Fünf in der Arbeit und eine Vier als mündliche Note ergaben wieder die übliche Vier minus. Er schaute auf die Uhr. Gleich Pause. Noch diese eine Note, und er konnte sich getrost auf ein weiteres Jahr in dieser Klasse einstellen. So dachte er seit Wochen. Eine Fünf in Mathe und eine in Physik hatte er schon ausgeglichen, durch eine Zwei in Deutsch und in Politik.
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