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Zwischen den Gezeiten

Zwischen den Gezeiten

Titel: Zwischen den Gezeiten
Autoren: Michael Wallner
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die Abspaltung der Russen? Zwei Kriege, dachte er, und was übrigblieb, waren zwei Imperien – an ihnen lag es, die Welt neu zu ordnen. Er trat zurück, schüttelte das Bein, die Hitze brannte durch den Uniformstoff  – verrückt, bei solchen Temperaturen Feuer zu machen.
    Die Generalin kam von der Terrassenseite, ihre Silhouette verharrte einen Moment zwischen den Vorhängen, sie stellte einen Koffer ab.
    Â»Du verreist?« Er erwiderte ihren Kuß.
    Sie wandte sich halb zum Koffer. »Zeit, etwas Ordnung zu machen.«
    Â»Sie schicken mich zurück«, sagte er nach einer Pause.

    Â»Vor deinen Leuten?« staunte sie.
    Â»Mir wird eine Sonderbehandlung zuteil.« Er folgte ihr in den Erker, sie nahmen die beiden Stufen, standen dort wie ein Gesangspaar, das gleich in ein Duett ausbrechen würde.
    Â»Ich muß vor Gericht. Die Kompanie ist weitgehend aufgelöst, hier gibt es keine Gerichtsbarkeit mehr.« Er zuckte die Schultern. »Mit Glück schicken sie mich nach Hause. Besser, von Schotten verurteilt zu werden.«
    Marion Kosigk lächelte. »Und für welche deiner vielen Sünden macht man dir den Prozeß?«
    Er streichelte ihre Handflächen. »Für eine, die ich nicht begangen habe.« Er wollte zur Anrichte, sie ließ ihn nicht los. »Ich soll gestohlen haben«, sagte er mit unschuldigem Blick, öffnete die Karaffe und goß ihnen ein.
    Â»Wir hatten uns schon gefragt, woher du das Geld zum Spielen nahmst.« Die Brosche auf ihrer Brust blitzte. »Nicht einmal Gabor wäre auf diese Lösung gekommen. Diebstahl ist irgendwie – unschottisch.« Mit den Augen hielt sie ihn fest. »Und wenn dein großer Coup mißlungen wäre?«
    Schmunzelnd, das Glas in der Hand, verließ der Leutnant den Erker. »Wie oft kann man aus dem fahrenden Wagen geworfen werden?«
    Er ging zum Koffer, der noch im Eingang stand. »Du verreist nicht – das sind auch bestimmt keine Kleider, die du verschenken willst.« Er hob ihn hoch und prüfte das Gewicht. Die Generalin war ihm einige Schritte gefolgt, nun wandte sie sich zum Kamin. »Bring ihn bitte hierher.«
    Der Leutnant trug den Koffer zur Sitzgruppe.
    Â»Du machst Feuer am zwanzigsten Juni – Könnte es sein – ?« Sein Blick erbat ihre Erlaubnis, sie nickte, er legte den Koffer um und öffnete ihn.
    Â»Ein Jammer«, sagte er nach Sekunden schweigenden Gedenkens.
    Â»Aber es erspart Unannehmlichkeiten.« Die Kosigk nahm das
oberste Bündel, fächerte es in der Hand, als wollte sie es noch einmal zählen. »Es verhindert Fragen, die nicht zu beantworten sind.« Mit Schwung warf sie das Geld ins Feuer; beide erwarteten ein Lodern. Doch nur langsam nahm das bedruckte Papier die Flamme in sich auf, ein dunkler, qualmender Fleck, der sich ausbreitete, bis die Scheine plötzlich Feuer fingen und in Momenten verkohlten.
    Â»Daß es kommen würde, wußtest du«, sagte er.
    Â»Du hättest uns warnen können.« Marion bückte sich, auch er nahm einige Bündel. Die Kosigk richtete sich auf.
    Â»Vierzig Mark sollte ich behalten«, lachte sie. »Warum auf das Kopfgeld verzichten?«
    Alec knüllte einzelne Scheine zusammen, zielte und warf. »Wird man Gabor verhören?« Jeder Knäuel ergab einen kleinen Feuerball.
    Â»Dazu sind seine Kontakte zum Headquarter zu verfänglich.« Sie machte es dem Leutnant nach. »Man wird sich wünschen, daß einer wie Gabor schweigt. Er ist überzeugt, schon morgen gibt es den Schwarzmarkt nicht mehr.«
    Der Leutnant nickte, nebeneinander schauten sie ins Feuer, das seine Nahrung nun rascher verschlang, hellauf leuchtete – gedruckte Zahlen und würdige Köpfe tauchten ins Schwarz, bis sie Asche waren.
    Â»Was hat Gabor vor – britische Vergaser ausbauen, wie früher?«
    Â»Er geht in den Osten.«
    Ãœberrascht rückte Hayden ab. »Was gibt es im Osten ?« fragte er despektierlich.
    Â»Er kommt von dort.« Marion ließ sich in den Sessel fallen. Schweißperlen hatten sich auf ihrer Stirn und Nase gebildet.
    Â»Und wenn ich dir vorschlage, mit mir zu kommen?« Bis auf das Wispern der Flammen wurde es still.
    Â»Die Engländer haben meinen Mann umgebracht«, sagte die Kosigk. »Ich komme nicht auf eure Insel.«
    Er warf den letzten Knäuel. »Ich bin Schotte«, antwortete er und
wußte, das
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