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Zwienacht (German Edition)

Zwienacht (German Edition)

Titel: Zwienacht (German Edition)
Autoren: Raimon Weber
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halbtransparenten Folie die Umrisse eines Menschen ab. Eines sehr beleibten Menschen.
    Münzberg!
    „Erst höre ich, dass der Dicke von der Stadt einen Kammerjäger verlangen will ... also mache ich euch den Kammerjäger. Dann konnte ich es natürlich nicht zulassen, dass ihr euch anfreundet. Da half ein böser Brief an den alten Krüger von nebenan und schon war es aus mit eurer Beziehung. Aber dann taucht der Fettsack auch noch hier unten auf. Pfui!“
    In seiner Todesangst konnte Richard den Anblick der Leiche seines Nachbarn gar nicht vollständig realisieren. Er versuchte einfach nur zu verstehen, was hier eigentlich geschah.
    „Deshalb muss nun alles beschleunigt vonstattengehen. Sehr bald wird man Kamerad Pudding vermissen.“ Der Mann geriet in Rage. Die Klinge bohrte sich tiefer. Richard ächzte und spürte ein wenig Blut fließen.
    „Außerdem hat sich Busch mir entzogen.“
    „Busch?“, krächzte Richard.
    „Dein Psycho-Doktor. Er wollte leider nicht mehr mit mir zusammenarbeiten. Seine Behandlung hätte dir den Rest geben sollen.“
    Mit der freien Hand griff der Mann in seine Jackentasche und holte ein winziges Fläschchen hervor. Darin schwappte eine klare Flüssigkeit.
    „Weißt du, was das ist?“
    Richard starrte auf das Fläschchen und sah, dass es einen ähnlichen Verschluss hatte, wie der, den er in seiner Wohnung gefunden hatte.
    „Ich verabscheue Drogen, aber für ein Arschloch wie dich sind sie doch wie gemacht. Ich habe mit den Dosierungen und den verschiedenen Mittelchen immer ein wenig experimentiert und sie dir untergeschmischt. Da waren ein paar gute Trips dabei, nicht wahr?“ Er grinste breit. „Du warst hier zu fast keiner einzigen Minute so richtig klar im Kopf.“
    Ich werde nicht verrückt! Es waren die Drogen!
    Aber die Erkenntnis half ihm jetzt auch nicht mehr weiter.
    „Diazepam und Kodein ergaben eine besonders lustige Mixtur. Sie ließen dich pissen.“ Der Mann schüttelte das Fläschchen vor Richards Augen. „Das wirst du gleich trinken, mein Bester. Es versetzt dich in einen Zustand, wie damals in Unna, ehe du auf dem Schulhof aufgewacht bist.“
    Richard gab einen fragenden Laut von sich.
    „Ja“, sagte der Mann. „Ich habe mich damals unter die Partygäste deines Verlegers gemischt und es dir in dein Bier geschüttet. Niemand hat etwas bemerkt. Man hielt mich halt für den Freund eines Eingeladenen oder so. War das ein Spaß!“
    Der Mann drehte mit Daumen und Zeigefinger den Schraubverschluss auf. Der Deckel fiel zu Boden.
    „Trinken!“
    Richard presste die Lippen fest zusammen.
    „Trink!“
    Das Fläschchen war jetzt direkt vor seinem Mund. Er konnte den Inhalt nicht riechen, seine Nase war völlig verstopft und taub. Sie musste gebrochen sein.
    „Du wirst es trinken. Sonst!“
    Das Stilett drang tiefer. Richard hatte keine Ahnung, wie viel Zentimeter seines Körpers durchstochen werden mussten, um an die Aorta zu gelangen. Er öffnete den Mund. Der Mann hielt ihm das Fläschchen an die Lippen.
    Die Flüssigkeit war ein wenig zähflüssig und völlig geschmacksneutral.
    „Sehr gut“, sagte der Mann. Der Druck der Klinge ließ abrupt nach. Der Kammerjäger trat zwei Schritte zurück und betrachtete sein Opfer.
    Richard spürte nichts. Außer Schmerzen. In seinem Kopf und da, wo ihn die Klinge verletzt hatte.
    „Die Wirkung setzt nicht sofort ein“, erklärte der Mann. Richard betrachtete ihn aus seiner hilflosen Position und fragte sich, woher er den Mann kannte. Er glaubte, ihm schon früher begegnet zu sein. Aber wo?
    „Den Fünften strangulierte und erschlug ich im Osten. In Demut vor meiner ungeheuren Aufgabe“, rezitierte der Mann und beugte sich vor, um Richards Reaktion auszukosten. „Kennst du das, Richard Kenning? Soll das etwa von dir sein?“

Angelschnur ist effizienter

    Richard Kenning verstand. Sein Betrug hatte ihn eingeholt.
    „Weißt du noch meinen Namen?“, fragte sein Gegenüber.
    Richard brachte kein Wort hervor.
    „Das macht nichts“, sagte der Mann leutselig. „Mein Name ist auch heute nicht mehr wichtig. Was zählt, ist die Aufgabe.“
    „Bitte ...“, brachte Richard hervor.
    „Bitte ... was!“, bellte der Mann. „Du hast mich bestohlen. Und was noch viel schlimmer ist, du hast mich lächerlich gemacht.“
    Der Mann war mit zwei Schritten bei dem Koffer auf dem Boden, ohne Richard dabei aus den Augen zu lassen, und holte ein Buch hervor. Richard erkannte es sofort. Es war eine zerlesene Taschenbuchausgabe seines
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