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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht
Autoren: Dean R. Koontz
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überzeugenderes Beweismittel als mein Gesicht. Was könnte ich denn anderes als ein Schausteller sein? Aber dieser Horton ist einfach sagenhaft. Weißt du, was er gesagt hat, nachdem er mich ein Weilchen betrachtet hat? Ich bin ja nun an alle möglichen Reaktionen und Kommentare gewöhnt, aber weißt du, was er gesagt hat?«
    Ich schüttelte schwach den Kopf.
    Grinsend berichtete Joel: »Horton schaute mich an und meinte nur trocken: ›Ich vermute, daß Sie beim Hutkauf Probleme haben.‹ Und dann bot er mir Kaffee an.«
    Joel lachte begeistert, aber ich brachte nicht einmal ein Lächeln zustande. Mir würde nie mehr etwas amüsant vorkommen.
    Joel fragte besorgt: »Ermüde ich dich?«
    »Nein.«
    »Wenn du ausruhen möchtest, kann ich später wiederkommen.«
    »Bitte, bleib«, murmelte ich, denn der Gedanke, allein zu sein, war mir plötzlich unerträglich.
    Das Stalldach wurde von einem heftigen Windstoß erschüttert.
    Der Heizlüfter schaltete sich wieder ein.
    »Bleib«, wiederholte ich.
    Joel legte eine Hand auf meinen Arm. »Okay. Aber du solltest dich entspannen. Na ja, Horton hat uns dann akzeptiert und alles erzählt. Wir überlegten gemeinsam, ob wir noch am selben Abend ins Gebirge rauf fahren sollten, aber am Sonntag hatte ein schwerer Schneesturm gewütet, und ein weiterer war für diese Nacht angesagt, und Horton meinte, wir würden unsere Todesurteile unterschreiben, wenn wir bei diesem Wetter rauffahren würden. ›Warten wir ab, bis der Sturm vorbei ist‹, sagte er. Wahrscheinlich sind Rya und Slim nur deshalb noch nicht zurückgekommen. Wahrscheinlich warten sie am Mineneingang auf besseres Wetter für den Rückweg.‹ Das hörte sich vernünftig an. In jener Nacht haben wir diesen alten Stall für uns hergerichtet, die Fenster verdunkelt und auch unseren Mietwagen hier untergebracht. Und dann haben wir gewartet.«
    (Um diese Zeit hatte ich Rya schon stundenlang durch die Tunnels getragen und das ursprüngliche Wunder der Adrenalin-Infusion war wahrscheinlich schon fast erschöpft.)
    Der zweite Schneesturm hatte in der Montagnacht eingesetzt und den 30 cm Neuschnee vom Sonntag weitere 35 cm hinzugefügt. Am Dienstagmorgen war die Wetterfront gen Osten abgezogen. Sowohl Hortons Transporter als auch Joels Mietwagen hatten Vierradantrieb, und sie beschlossen, ins Gebirge zu fahren, um uns zu suchen. Horton wollte sich vorher nur kurz vergewissern, daß die Luft rein war. Er kehrte mit der schlechten Nachricht zurück, daß es auf allen Straßen im weiten Umkreis des Bergwerks von ›der stinkenden Rasse‹ in Jeeps nur so wimmelte.
    »Wir wußten nicht, was wir tun sollten«, erzählte Joel, »und diskutierten die Situation deshalb ein paar Stunden lang durch. Gegen ein Uhr mittags am Dienstag entschieden wir, daß uns nichts anderes übrigblieb, als zu Fuß loszugehen. Horton schlug vor, Schlitten mitzunehmen, für den Fall, daß ihr verletzt wärt. Wir brauchten ein paar Stunden, um alles zu besorgen, und machten uns gegen Mitternacht auf den Weg. Wir mußten kilometerlange Umwege machen, um Straßen und Häuser zu meiden, und erreichten diesen alten Mineneingang erst kurz vor Mitternacht am Mittwoch. Und als vorsichtiger Mann bestand Horton dann darauf, daß wir die Mine bis zum Morgengrauen von draußen im Auge behielten, um sicher zu sein, daß sich dort keine Trolle herumtrieben.«
    Ich schüttelte ungläubig den Kopf. »Wart mal. Soll das... soll das heißen, daß es Donnerstagmorgen war, als ihr mich gefunden habt?«
    »Stimmt.«
    Ich war total perplex. Ich hatte gedacht, es wäre spätestens Dienstag gewesen, als sie mir wie Traumgestalten erschienen waren. Stattdessen hatte ich Rya drei volle Tage durch die Schächte getragen, bevor ich gerettet worden war. Und wie lange mochte sie tot in meinen Armen gelegen haben? Mindestens einen Tag.
    »Was für ein Tag... ist denn heute?« fragte ich so leise, daß es kaum zu hören war.
    »Wir sind am Freitag kurz vor Morgengrauen zurückgekommen, und jetzt ist Sonntagabend. In den vergangenen drei Tagen warst du sehr viel bewußtlos, aber jetzt bist du schon auf dem Wege der Besserung. Du bist selbstverständlich noch schwach, aber du wirst es schaffen. Bei Gott, Carl Slim, ich hatte unrecht, dich von dieser Mission abhalten zu wollen. Du hast viel fantasiert, und daraus habe ich mir so einigermaßen zusammengereimt, was ihr im Berg gefunden habt. Es war etwas, das nicht toleriert werden durfte, stimmt's? Etwas, das für uns alle den Tod bedeutet
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