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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht
Autoren: Dean R. Koontz
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hätte. Du hast deine Sache gut gemacht. Du kannst sehr stolz auf dich sein. Du hast deine Sache wirklich gut gemacht.«
    Ich hatte geglaubt, mein Tränenreservoir für das ganze Leben erschöpft zu haben, aber plötzlich weinte ich wieder. »Wie... wie kannst du... so etwas sagen? Du hattest recht... völlig recht. Wir hätten nicht herkommen sollen.«
    Er betrachtete mich verwirrt.
    »Ich war ein Narr«, fuhr ich bitter fort. »Die Welt... auf meine Schultern laden zu wollen. Ganz egal, wie viele Trolle ums Leben gekommen sind... ganz egal, wie stark ich ihren Bunker beschädigt habe... nichts von all dem war es wert, Rya zu verlieren.«
    »Rya zu verlieren?«
    »Ich würde den Trollen bereitwillig die ganze Welt überlassen... wenn nur Rya noch am Leben wäre.«
    »Aber, mein lieber Junge, sie ist am Leben«, sagte Joel.
    »Trotz deiner Verletzungen und deines Fiebers hast du es irgendwie geschafft, neunzig Prozent des Rückwegs durch die Schächte zurückzulegen und auch noch Rya zu tragen, und du hast ihr offenbar auch genug zu trinken gegeben und sie am Leben erhalten, bis wir euch beide fanden. Sie war bis gestern bewußtlos. Es geht ihr noch nicht besonders, und sie wird bestimmt einen Monat brauchen, um sich richtig zu erholen, aber sie ist nicht tot, und sie wird nicht sterben. Sie liegt in der übernächsten Box.«
     
    Ich behauptete, ohne weiteres so weit laufen zu können. Was war schon eine Boxlänge? Schließlich hatte ich den Weg aus der Hölle geschafft. Doch als ich aufzustehen versuchte, kippte ich sofort auf die Seite und erlaubte Joel schließlich, mich zu tragen, so wie ich Rya getragen hatte.
    Doc Pennington war bei ihr. Er sprang von seinem Stuhl auf, damit Joel mich hinsetzen konnte.
    Rya war in schlechterer Verfassung als ich. Die Prellungen auf der rechten Gesichtshälfte waren blauschwarz verfärbt und sahen noch schlimmer aus, als ich sie in Erinnerung gehabt hatte. Ihr rechtes Auge war blau und blutunterlaufen. Beide Augen schienen tief in die Höhlen gesunken zu sein. Sie war weiß wie Wachs. Ein leichter Schweißfilm überzog ihre Stirn. Aber sie lebte, und sie erkannte mich, und sie lächelte.
    Sie lächelte.
    Schluchzend griff ich nach ihrer Hand.
    Ich war so schwach, daß Joel mich festhalten mußte, damit ich nicht nach vorne kippte.
    Ryas Haut war warm, weich und wundervoll. Sie drückte mir kaum merklich die Hand.
    Wir waren beide aus der Hölle zurückgekehrt, aber Rya war sogar von einem noch ferneren Ort zurückgekehrt.
     
    Nachts wachte ich auf, hörte den Wind um den Stall heulen und fragte mich, ob sie wirklich tot gewesen war. Ich war mir dessen so sicher gewesen. Kein Puls. Kein Atem. Dort unten in den Minen hatte ich mich an die Heilkräfte meiner Mutter erinnert und mit Gott gehadert, weil meine eigene Gabe — die Zwielicht-Augen — Rya in der Not nichts nützte. Ich hatte Gott zur Rede gestellt, hatte von Ihm wissen wollen, warum ich nicht so gut wie meine Mutter oder sogar noch besser heilen konnte. Entsetzt über die Vorstellung eines Lebens ohne Rya, hatte ich sie an meine Brust gedrückt und Leben in sie hineingezwungen, hatte einen Teil meiner Lebenskraft auf sie übertragen, so als füllte man Wasser aus einem Krug in ein Glas ab. Außer mir vor Kummer, wahnsinnig vor Gram, hatte ich meine übersinnlichen Fähigkeiten bis zum Äußersten angespannt und versucht, ein Wunder zu vollbringen, jenes größte aller Wunder, das Gott allein vorbehalten ist: den Lebensfunken zu entfachen. Hatte es geklappt? Hatte Gott zugehört, hatte er mich erhört? Ich würde es nie erfahren. Aber tief im Herzen glaubte ich, daß ich sie zurückgebracht hatte. Denn ich hatte nicht nur meine übersinnlichen Kräfte anzuwenden versucht. Nein, nein. Viel wichtiger war die Liebe gewesen. Ein unendliches Meer von Liebe. Und was magische Kräfte allein nicht zu bewirken vermögen, das schaffen vielleicht magische Kräfte und Liebe zusammen.
     
    Dienstagnacht, mehr als neun Tage nach unserem Aufbruch ins Bergwerk, wurde es Zeit, nach Hause zurückzukehren.
    Meine Biß- und Kratzwunden schmerzten noch immer, und ich war alles andere als kräftig. Aber immerhin konnte ich schon wieder am Stock gehen, und meine Stimme war fast normal, so daß ich mich stundenlang mit Rya unterhalten konnte.
    Sie hatte noch kurze Schwindelanfälle, erholte sich aber ansonsten sogar schneller als ich. Sie konnte besser laufen und war mir auch kräftemäßig überlegen.
    »Der Strand«, sagte sie. »Ich
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