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Zweyer, Jan - Rainer

Zweyer, Jan - Rainer

Titel: Zweyer, Jan - Rainer
Autoren: Verkauftes Sterben
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nach einer Weile und unterbrach das Gespräch.
    »Was ist?«
    »Das war tatsächlich Bauers Tochter, Kirsten Schubert. Er hat seinen geplanten Besuch bei ihr abgesagt, weil er das Wochenende zu Hause verbringen wollte. Sie hat im Radio etwas von einer Explosion in Suderwich gehört, und als sie ihren Vater am Telefon nicht erreichte… Und dann auch noch mein Anruf… Sie macht sich verständlicherweise große Sorgen.«
    Baumann nickte. »Dann ist der Tote im Keller vermutlich Bauer.«
    »So ist es«, bekräftigte Brischinsky. »Zumindest sollten wir bis zum Beweis des Gegenteils davon ausgehen.«
     
    5
    Ilse Popenka war spät dran. Aus irgendeinem Grund war heute Nacht der Strom ausgefallen und hatte ihren Radiowecker seiner Funktion beraubt. Vermutlich wurden am Netz Reparaturen durchgeführt und sie hatte den Hinweis darauf in der Zeitung übersehen. Dass ihr so etwas passieren musste!
    Gott sei Dank war sie nur zwanzig Minuten nach ihrer üblichen Aufstehzeit von selbst aufgewacht.
    Ilse Popenka trat kräftiger in die Pedale. Es war schon fast halb vier und sie war erst auf der Höhe des Gestüts Bladenhorst. Eigentlich hätte sie schon vor zehn Minuten die Zeitungen in Empfang nehmen sollen. Seit fast zwanzig Jahren trug sie die WAZ aus. Erst in ihrer Heimatstadt Castrop-Rauxel, seit drei Jahren in Herne-Horsthausen. Noch nie war sie zu spät gekommen. Und jetzt das. Und dann noch an einem Montagmorgen! Das musste doch so aussehen, als ob sie das Wochenende durchgefeiert hätte.
    Sie entschloss sich, ihre Fahrt durch das Wäldchen neben der stillgelegten Schachtanlage Teutoburgia abzukürzen. Diesen Weg nahm sie sonst nie im Dunkeln. Das war ihr zu unheimlich. Kurz hinter der Autobahnbrücke, die über den Emscherschnellweg führte, bog sie rechts in Richtung der Kleingartenanlage ab, nach weiteren hundert Metern fuhr sie wieder links, kurz darauf erneut rechts. Hier begrenzten dichte Hecken die Grundstücke mit den Datschen, sodass Zweige an ihre Arme schlugen. Der Dynamo ihres Rades summte leise.
    Der Weg war uneben und der dürftige Schein der Fahrradlampe tanzte auf und ab. Jetzt noch das kurze Stück Waldweg, dann am Förderturm vorbei und sie hatte es geschafft.
    Sie nahm die letzte Kurve und atmete auf. Hier war es zwar am dunkelsten, der Weg aber schon deutlich breiter. Plötzlich erfasste der Lichtkegel ein Hindernis. Ihr blieb fast das Herz stehen. Sie trat heftig in die Bremsen mit dem Ergebnis, das sie kaum noch etwas sehen konnte. Für einen Moment hielt sie sich am Fahrrad fest und stierte fassungslos in die Dunkelheit.
    Dann hob sie das Vorderrad etwas an und drehte es. Der Trafo lieferte wieder Energie und sie konnte erkennen, was da vor ihr im Wald lag. Ilse Popenka stieß einen erstickten Laut aus, ließ ihr Fahrrad fallen und rannte, als wenn es um ihr Leben ginge.
    Das erste Haus erreichte sie nach zweihundert Metern, kurz vor der Schadeburgstraße. Es brannte kein Licht. Hastig drückte sie auf die beiden Klingelknöpfe. Im oberen Geschoss wurde es in einem Zimmer hell. Kurz darauf vernahm sie eine Stimme aus der Gegensprechanlage. Sie versuchte, sich verständlich zu machen. »Urrggh.«
    Verzweifelt registrierte sie, dass das Licht wieder gelöscht wurde. So war das zwecklos. Ihre kehligen Laute verstand niemand. Sie musste jemandem von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen, damit sie sich verständlich machen konnte.
    Im Wald lag ein Mensch und kämpfte möglicherweise um sein Leben und sie konnte nicht helfen.
    Ilse Popenka war seit ihrer Geburt fast völlig stumm. Aber noch nie hatte ihr diese verfluchte Behinderung so im Weg gestanden wie an diesem Morgen.
    Sie lief weiter bis zur Ecke und sah sich suchend um. Schräg gegenüber verließ ein Mann ein Haus und überquerte die Straße. Sie rannte zu ihm, gurgelte, ruderte mit den Armen und zeigte in den Wald. Ihr Gegenüber sah sie verständnislos und mit einem leicht belustigten Blick an, den sie nur zu gut kannte. Er hielt sie für etwas übergeschnappt.
     
    Schließlich kam ihr ein Gedanke. Sie machte mit der rechten Hand eine Bewegung, als würde sie sich selbst die Kehle durchschneiden, zeigte mit der linken nach hinten, nahm dann die Hand des Mannes und zerrte ihn in Richtung Wald. Nach drei ihr endlos lang erscheinenden Versuchen kapierte er, dass er es nicht mit einer Verrückten zu tun hatte, und folgte ihr zögernd. Ilse Popenka atmete auf.
    »Und?«, fragte Katharina Thalbach von der Bochumer Kriminalpolizei, als der
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