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Zweyer, Jan - Rainer

Zweyer, Jan - Rainer

Titel: Zweyer, Jan - Rainer
Autoren: Verkauftes Sterben
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reichen eben nicht.«
    »Wer steckt dahinter? Sutthoffs Leute?«
    Der Hauptkommissar schüttelte den Kopf. »Diese Pillen wollen viele vergolden. Das Abrechnungssystem lädt ja geradezu dazu ein. Hör dir das an.« Brischinsky griff zum Bericht des LKA. »Nach unserer Einschätzung haben sich die Betrügereien bereits negativ auf die Beitragssätze der Versicherten ausgewirkt. Dabei sind die Methoden, die angewandt werden, immer ähnlich: Das undeutlich geschriebene L auf dem Rezept, welches als Abkürzung für fünfzig Stück steht, wird als C interpretiert und einhundert Stück werden abgerechnet. Aus NI, der kleinsten
    Packungsgröße, wird durch einen Strich die doppelte Menge NII oder auch NIII. Statt der verschriebenen Maßschuhe für fußkranke Patienten liefern Orthopädiehäuser Industrieware.
     
    Zahnärzte und Dentallabore schieben ihren Patienten Prothesen aus China als deutsche Produkte unter – zu den üblichen Preisen natürlich. Besonders lukrativ sind auch direkte Kooperationen von Ärzten und Apothekern. Auf den Namen ahnungsloser Patienten verschreibt ein Mediziner ohne dessen Wissen teure Medikamente, reicht die Rezepte direkt an die Apotheke weiter und der Erlös wird geteilt. In diesem Stil geht das weiter. Der Fantasie beim Ausplündern des Gesundheitssystems sind wirklich keine Grenzen gesetzt. Der bisher bekannte Schaden beläuft sich in Hessen auf geschätzte zwei Millionen Euro, in Niedersachsen auf etwa vier. Aber, wie gesagt, das ist vermutlich nur ein Bruchteil der Summe.«
    Brischinsky stand auf und goss sich einen Kaffee ein. »In Lüneburg hat ein Pharmavertreter einen anderen Trick erfunden. Er hat eine Serviceagentur gegründet…«
    »Wie FürLeben?«
    »So ähnlich. Nur spezialisiert auf Rezeptvermittlung. Diese Agentur wird beschuldigt, zahlreichen Ärzten eine Provision dafür gezahlt zu haben, dass teure Rezepte für Krebsmedikamente und Ähnliches ausschließlich an eine bestimmte Apotheke weitergereicht wurden. Von dieser Apotheke hat die Firma dann eine Provision kassiert. Siebzig Prozent ihres Gewinns. Ganz schön happig. Der Inhaber der Agentur ist mittlerweile untergetaucht. Er wird verdächtigt, in ganz Deutschland Ärzte und Apotheker angeheuert zu haben.
    Auch eine interessante Geschäftsidee, oder?« Er erwartete keine Antwort. »Du siehst: Sutthoff und FürLeben sind kein Einzelfall.«
    »Dann glaubst du also, diese Betrügereien laufen weiter?«
    Brischinsky nickte resigniert. »Davon müssen wir wohl ausgehen.«
     
    Epilog
    Auf den Tag genau drei Monate nach seiner Flucht aus Deutschland bestieg Michail Müller am frühen Morgen in Bukarest eine Maschine der Aeroflot. Nachdem er in Minsk den Flughafen verlassen hatte, suchte er ein Geschäft in der Altstadt auf, das ihm alte Bekannte empfohlen hatten. Die Inhaber, mit denen er schon vor einigen Tagen die Einzelheiten telefonisch besprochen hatte, waren auf sein Kommen vorbereitet. Sie händigten ihm einen braunen Briefumschlag aus. Im Gegenzug wechselten eintausend Euro den Besitzer.
    Als Müller die kleine Druckerei wieder verließ, trug er einen handwerklich hervorragend gemachten bundesdeutschen Personalausweis in seiner Jackentasche, ausgestellt auf den Namen Juri Stepanow.
    Er nahm sich ein Zimmer in einem der wenigen Hotels, die halbwegs internationalem Standard entsprachen, und ging früh zu Bett. Am nächsten Morgen griff er zu einem weißen, leicht gestärkten Hemd, dem dunklen, penibel gebügelten Zweireiher, band sich sorgfältig die Seidenkrawatte und schlüpfte in die schwarzen Halbschuhe. Dann zog er den schwarzen Wollmantel über, warf einen prüfenden Blick in den Spiegel und schloss zufrieden die Zimmertür hinter sich.
    Problemlos passierte er den Ticketschalter der Lufthansa und die Passkontrolle. Er kaufte eine Stange Zigaretten, eine Flasche irischen Whiskey und schlenderte dann zum Gate.
    Vier Stunden später landete er in Hamburg. Seine gefälschten Papiere hielten der oberflächlichen Kontrolle durch die Bundesgrenzschutzbeamten stand. Die Zollbeamten interessierten sich weder für ihn noch für sein Gepäck. Nicht dass ihm eine Überprüfung etwas ausgemacht hätte. Er war sauber.
    Das Wetter war typisch für einen Novembertag in der Hafenstadt: nebelig, leichter Nieselregen, etwa sieben Grad Celsius.
    Michail Müller bestieg ein Taxi und nannte dem Fahrer eine Adresse in Hamburg-Harburg, in der Nähe der Technischen Hochschule. Der Wagen hielt vor einem der in den Achtzigerjahren
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