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Zweimal ist einmal zuviel

Zweimal ist einmal zuviel

Titel: Zweimal ist einmal zuviel
Autoren: Janet Evanovich
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verschlagen«, sagte Kenny. »Sollen wir die Schublade mal rausziehen und sehen, ob die alte Hexe noch atmet?«
    Spiro entriegelte die Tür. Langsam zog er die stählerne Schublade heraus. Das erste, was ich erblickte, waren Grandma Mazurs Schuhe, dann kamen ihre knochigen Schienbeine zum Vorschein, der weite blaue Mantel und die steif ausgestreckten Arme. Die Hände waren unter dem Wollstoff nicht zu sehen.
    Mir wurde schwindlig vor Kummer, und ich mußte mich zum Weiteratmen zwingen. Ich blinzelte ein paarmal mit den Augen, um wieder klar sehen zu können.
    Als die Schublade ganz herausgerollt war, rastete sie ein. Grandma blickte starr an die Decke, die Augen geöffnet, den Mund geschlossen, reglos wie ein Stein.
    Sekundenlang starrten wir sie schweigend an.
    Kenny fand als erster die Sprache wieder. »Sieht doch schön tot aus«, sagte er. »Du kannst sie wieder reinschieben.«
    Plötzlich war ein leises Geräusch zu vernehmen. Ein Zischen. Wir lauschten aufmerksam.
    Ich bemerkte ein feines Zucken um Grandmas Augen. Wieder zischte es. Ein wenig lauter als zuvor. Grandma Mazur sog durch den Mund die Luft ein!
    »Hmm«, sagte Kenny. »Vielleicht ist sie doch nicht so tot, wie ich dachte.«
    »Hättest du bloß die Kühlung angeschmissen«, sagte Spiro. »Die Kiste kann man bis auf minus zwanzig Grad runterfahren. Bei zwanzig Grad unter Null hätte sie keine zehn Minuten überlebt.«
    Grandma zuckte schwach mit den Beinen.
    »Was macht sie?« fragte Spiro.
    »Sie will sich setzen«, sagte Kenny. »Aber sie ist zu alt. Die alten Knochen wollen nicht mehr, was, Oma?«
    »Alt«, flüsterte sie. »Das wollen wir doch erst mal sehen.«
    »Schieb sie wieder rein«, sagte Kenny zu Spiro. »Und schalte die Kühlung ein.«
    Spiro hatte die Schublade schon ein ganzes Stück weit wieder in das Kühlfach gerollt, als Grandma sie mit den Füßen zum Stehen brachte. Sie hatte die Knie angewinkelt, sie trampelte gegen den Stahl und kämpfte mit aller Kraft gegen ihr endgültiges Verschwinden.
    Spiro knurrte und stemmte sich dagegen, aber die Schublade wollte nicht einrasten, und er bekam die Eisentür nicht ganz zu.
    »Da klemmt was«, sagte Spiro. »Sie paßt nicht mehr rein.«
    »Hol sie wieder raus«, schlug Kenny vor. »Vielleicht sehen wir dann, woran es liegt.«
    Spiro zog die Schublade langsam wieder heraus.
    Grandmas Kinn kam zum Vorschein, dann ihre Nase und ihre Augen. Die Arme hielt sie über dem Kopf.
    »Machst du Faxen, Oma?« fragte Kenny. »Blockierst du die Schublade?«
    Grandma sagte kein Wort, aber ihr Mund zuckte. Sie malmte mit ihren Gebißplatten.
    »Nimm die Arme runter«, befahl Kenny ihr. »Hör auf, mich zu verarschen. Ich habe keine Geduld für so was.«
    Grandma zog zuerst die bandagierte Hand aus dem Kühlfach. Dann folgte die andere, und in der anderen hielt sie den langläufigen .45er. Sie streckte den Arm aus und feuerte.
    Wir warfen uns auf den Boden. Grandma schoß noch einmal.
    Nach dem zweiten Schuß herrschte gespanntes Schweigen. Keiner bewegte sich, außer Grandma.
    Sie setzte sich aufrecht hin und mußte erst einmal nach Fassung ringen.
    »Ich weiß, was ihr denkt«, sagte Grandma in die Stille hinein. »Ihr fragt euch, ob ich noch mehr Kugeln in meiner Kanone habe. Aber ich muß euch sagen, nach der ganzen Aufregung und der Gefangenschaft im Kühlschrank habe ich glatt vergessen, wie viele ich überhaupt geladen hatte. Da es allerdings ein fünfundvierziger Magnum ist, die stärkste Handfeuerwaffe der Welt, mit der man einem Menschen locker die Rübe wegpusten kann, müßt ihr euch eigentlich nur eines fragen, und zwar: Ist heute mein Glückstag? Na, was ist? Ich warte. Habt ihr heute euren Glückstag, ihr Penner?«
    »Scheiße«, flüsterte Spiro. »Sie hält sich für Clint Eastwood.«
    PENG! Grandma hatte eine Glühbirne ausgeschossen.
    »Huch!« sagte sie. »Ich glaube fast, mit dem Visier stimmt was nicht.«
    Kenny robbte zu den Waffenkisten, Spiro lief zur Treppe, und ich rutschte auf dem Bauch zentimeterweise an Grandma heran.
    PENG! Wieder fiel ein Schuß. Großmutter hatte Kenny verfehlt, aber dafür eine der Kisten getroffen. Es gab eine Explosion, und ein Feuerball stieg zur Kellerdecke auf.
    Ich sprang auf und zerrte Grandma aus dem Kühlfach.
    Schon flog die nächste Kiste in die Luft. Flammen züngelten über den Boden und an den Holzsärgen empor. Wir hatten Glück, daß wir noch nicht von umherfliegenden Trümmern getroffen worden waren. Rauch wälzte sich durch den Raum, der
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