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Zweimal ist einmal zuviel

Zweimal ist einmal zuviel

Titel: Zweimal ist einmal zuviel
Autoren: Janet Evanovich
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auszog, ähnelte sie einem Suppenhuhn. Zur Feier des Tages hatte sie sich heute in ein knallrotes Kleid mit glänzenden Goldknöpfen geworfen. »Es ist genau richtig«, sagte ich.
    Meine Mutter brachte den Kartoffelbrei aus der Küche. »Kommt essen, bevor alles kalt wird«, sagte sie.
    »Was hast du heute getrieben?« fragte Grandma Mazur. »Mußtest du einen durch die Mangel drehen?«
    »Ich habe den ganzen Tag nach Kenny Mancuso gesucht, hatte aber wenig Glück.«
    »Kenny Mancuso ist ein Faulpelz«, sagte meine Mutter. »Die Morelli- und Mancuso-Männer sind allesamt Nichtsnutze. Man kann ihnen nicht über den Weg trauen.«
    Ich sah meine Mutter an. »Hast du etwas Neues über Kenny gehört? Was wird denn so erzählt?«
    »Daß er ein Faulpelz ist«, sagte meine Mutter. »Reicht das etwa nicht?«
    In unserem Viertel kann man schon als Faulpelz zur Welt kommen. Die weiblichen Morellis und Mancusos waren über jede Kritik erhaben, die Männer hingegen galten als Blindgänger. Sie tranken, fluchten, verprügelten ihre Kinder und betrogen ihre Frauen und Freundinnen.
    »Sergie Morelli kommt heute abend auch«, sagte Grandma Mazur. »Er gehört zu den Kolumbusrittern. Wenn du willst, kann ich ihm mal auf den Zahn fühlen. Ich mache es auch ganz unauffällig. Er hatte schon immer eine Schwäche für mich.«
    Sergie Morelli war einundachtzig. Unmengen borstiger grauer Haare sprossen ihm aus den Ohren, die halb so groß waren wie sein verschrumpelter Kopf. Eigentlich glaubte ich nicht, daß Sergie wußte, wo sich Kenny versteckte, aber manchmal können auch scheinbar unwichtige Informationen nützlich sein. »Wie wäre es, wenn ich mitkomme?« fragte ich. »Dann könnten wir ihn uns gemeinsam vorknöpfen.«
    »Das geht in Ordnung. Aber du mußt versprechen, mir nicht ins Handwerk zu pfuschen.«
    Mein Vater verdrehte die Augen und widmete sich seinem Hühnchen.
    »Meinst du, ich sollte vorsichtshalber eine Waffe tragen?« fragte Grandma Mazur.
    »Meine Güte«, stöhnte mein Vater.
    Zum Nachtisch gab es selbstgebackene Apfelpastete. Die säuerlichen Äpfel schmeckten nach Zimt, und die mit Zucker bestäubte Teigkruste war luftig und leicht. Nach dem zweiten Stück hätte ich beinahe einen Orgasmus bekommen. »Du solltest eine Bäckerei aufmachen«, sagte ich zu meiner Mutter. »Mit deinen Kuchen könntest du ein Vermögen verdienen.«
    Sie stapelte die Kuchenteller aufeinander und sammelte das Besteck ein. »Mit dem Haushalt und deinem Vater habe ich genug zu tun. Außerdem würde ich, wenn überhaupt, nur als Krankenschwester arbeiten. Ich war immer der Meinung, daß ich eine gute Krankenschwester abgeben würde.«
    Wir starrten sie ungläubig an. Diesen Wunsch hatte sie noch nie geäußert. Eigentlich hatte sie noch nie
irgendeine
Ambition geäußert, die nichts mit neuen Schonbezügen oder Vorhängen zu tun hatte.
    »Vielleicht solltest du dir überlegen, eine Ausbildung zu machen«, sagte ich. »Es gibt hier doch eine Schwesternschule.«
    »Ich hätte keine Lust, Krankenschwester zu werden«, sagte Grandma Mazur. »Da muß man häßliche weiße Schuhe mit Guimmisohlen tragen und den ganzen Tag Bettpfannen ausleeren. Wenn schon, würde ich lieber Filmstar werden wollen.«
    *
    In unserem Viertel gab es fünf Bestattungsunternehmen. Betty Szajacks Schwager, Danny Gunzer, lag im Institut Stiva.
    »Wenn ich sterbe, mußt du unbedingt dafür sorgen, daß man mich zu Stiva bringt«, sagte Grandma Mazur während der Fahrt. »Ich will nicht, daß mich dieser Stümper Mosel aufbahrt. Der hat keine Ahnung von Make-up. Er benutzt viel zuviel Rouge. Dadurch sieht man einfach unnatürlich aus. Und Sokolowsky soll mich auf keinen Fall nackt sehen. Ich habe ein paar merkwürdige Sachen über ihn gehört. Stiva ist wirklich am besten. Wer was auf sich hält, geht zu Stiva.«
    Das Institut befand sich in einer umgebauten viktorianischen Villa in der Hamilton Street, nicht weit vom St.-Francis-Krankenhaus entfernt. Eine große Veranda zog sich rings um das weiß gestrichene Haus mit den schwarzen Fensterläden. Aus Rücksicht auf ältere Herrschaften, die schon etwas wackelig auf den Beinen waren, hatte man einen grünen Teppich ausgerollt, der vom Eingang bis zum Bürgersteig reichte. Neben dem Haus führte ein Weg zur Garage, in der die vier Firmenwagen Platz hatten. Auf der gegenüberliegenden Seite der Einfahrt war ein zusätzlicher Backsteinbau errichtet worden, in dem Leichen aufgebahrt werden konnten. Eine vollständige
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