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Zwei Sonnen am Himmel

Titel: Zwei Sonnen am Himmel
Autoren: Federica de Cesco
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Lager aufbrachen und sich auf den Weg machten. Doch ihre Schritte führten sie nicht weit. In der perlmutterfarbenen Helligkeit der Morgenfrühe, zur Stunde, da ein Stern nach dem anderen erlosch, tauchte vor ihnen aus dem Tal ein gigantisches Bauwerk auf: ein unwahrscheinlich ebenmäßiger Turm, so hoch wie ein Berg, dessen Grund auf weißem Sand ruhte. Er bestand aus vier riesigen Flächen, die sich allmählich zu einer Spitze verjüngten. Wie aus einem einzigen Guss geformt ragte der schwarze Koloss in den korallenroten Morgenhimmel.
    Ein Schrei stieg aus der Menge, von vielfachen Stimmen wiederholt: »Der Berg! Der heilige Berg …«
    Und in dem Augenblick, da das Echo verhallte, stieg das Licht am Horizont empor. Es flammte wie ein Schwert, das aus der Scheide gezogen wird, und traf mit voller Wucht die östliche Flanke des Turmes. Die fantastische Steinfläche blinkte wie glühendes Gold und offenbarte im Spiel von Licht und Schatten ein riesenhaftes Relief unbekannter Schriftzeichen - jenen geheimnisvollen Buchstaben gleich, die die Gemächer Atlars, des Priester-Königs, aufgezeigt hatten. Es waren Schriftzeichen eines Zeitalters, da die Götter noch unter den Menschen weilten. Kein Atlantide konnte diese Zeichen lesen, die ihnen eine Botschaft aus dem All überbrachte. Doch sie sprachen zu ihrem Herzen mit tiefer, eindringlicher Stimme. Sie fielen auf die Knie wie ein einziger Mensch, von Ehrfurcht und Freude überwältigt. Nur Usir und Isa standen aufrecht. Das Sonnenlicht fiel auf ihr Gesicht, spiegelte sich in ihren Augen.
    Und Usir sprach zu seinem Volk: »Die Großen Vorfahren haben den Untergang von Atlantis vorausgeahnt oder berechnet. Sie errichteten dieses Bauwerk für die zukünftigen Generationen. Seit Jahrtausenden erwarteten sie unser Kommen. Heute sind wir zu ihnen zurückgekehrt …«
    Die Morgennebel lösten sich auf. Im Schutz einer Anhöhe, der die Sonne bereits die Farbe der gebrannten Erde verlieh, standen einige niedrige Schilfhütten. Menschen traten scheu daraus hervor und bildeten einen schweigenden Halbkreis. In der Stille meckerten Ziegen und ein kleines Kind begann zu schreien. Leia rief einen kurzen Befehl und die Amazonen legten die Pfeile an die Bogensehnen. Doch die Eingeborenen schienen nicht feindselig. Ihre Augen blickten voll argloser Neugier. Ihr Haar war schwarz und glatt, ihre Haut braun. Sie waren von kleinem Wuchs und auffallend feingliedrig. Trotz ihrer primitiven Behausungen und ihrer Kleidung aus Pflanzenfasern zeugten ihre ebenmäßigen Gesichter mit der hohen Stirn und den mandelförmigen Augen von Aufgeschlossenheit und Klugheit.
    Â»Wir wollen sie nicht erschrecken«, sagte Usir und die Amazonen senkten ihre Waffen.
    Eine Frau mit weißem Haar und edlem, faltigem Gesicht war offensichtlich das Oberhaupt der Sippe. Sie löste sich aus der Gruppe und schritt den Ankömmlingen entgegen. Sie trug ein Holzgefäß voll Milch. Ihre prüfenden Augen blieben auf Usir und Isa haften. Langsam trat sie näher und stellte mit einer Art Opfergebärde die Holzschale zu ihren Füßen auf den Boden. Torr bückte sich. Er hob das Gefäß auf und hielt es Usir entgegen. Dieser trank, dann reichte er es seiner Gefährtin. Die Milch war ein wenig säuerlich und noch lauwarm. Wieder sprach Usir und seine Worte waren die eines Königs. »Lasst uns einen Bund mit diesen Leuten schließen. Zu Füßen des Bauwerks, das unsere Vorfahren errichteten, werden wir Atlantis neu erstehen lassen. Wir werden dieses Land Kemet nennen, das fruchtbare Land. Wir haben viel zu tun. Wir müssen seinen Bewohnern helfen ihre angeborenen Fähigkeiten zu entwickeln. Merit wird sie lehren Häuser aus Stein und Ziegeln zu bauen. Xoris wird sie in der Wissenschaft der heilenden Pflanzen unterweisen, Haku in der Kunst des Waffenschmiedens. Ato wird sie die Musik lieben lehren …«
    Sein Blick wanderte zu Isa hinüber, die stolz sein Lächeln erwiderte.
    Â»Leia wird sie kämpfen lehren, denn unser Reich muss verteidigt werden. Du aber, meine Gattin, du wirst sie den Mut lehren.«
    â€¦ und sie ließen sich in Kemet nieder und verbreiteten dort ihre Kultur. Später wurde der Name des Landes abgeändert. Die Griechen verliehen ihm den Namen: Aigyptos, Ägypten. Aber das war in einem andern Zeitalter, achttausend Jahre später.

cbt - C. Bertelsmann Taschenbuch
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