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Zwei Sonnen am Himmel

Titel: Zwei Sonnen am Himmel
Autoren: Federica de Cesco
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Lichtes: Sie schimmerten goldrosa in der Frühe des Morgens, hüllten sich in wässerigen Dunst während der heißen Mittagsstunden und erglühten purpurrot in der sinkenden Sonne.
    Tag für Tag drangen sie weiter in die graugelbe, von Wind gepeitschte Ebene vor. Nachts lagerten sie unter dem von wandernden Sternen gesäumten Himmel und froren in der beißenden Kälte. Sie stellten Wachtposten auf, doch feindliche Überfälle blieben aus. Die Nächte waren kurz: Schon vor Tagesanbruch machten sie sich auf den Weg, um die Kühle der Morgenstunden zu nutzen. Bald wurden die Vorräte an Wasser und Lebensmitteln knapp. In endlosem Fußmarsch, einem düsteren Albtraum gleich, schleppten sie sich unter der glühenden Sonne dahin. Zuerst starb ein kleines Kind, dann eine Frau. Manche befanden sich infolge der ausgestandenen Entbehrungen am Rande des Wahnsinns.
    Auch Xoris spürte, wie seine Kräfte schwanden. Usir und Haku stützten ihn abwechselnd, während sich der alte Mann mit schmerzverzerrtem Gesicht vorwärts schleppte. »Lasst mich hier …«, stöhnte er. »Ihr seid jung und stark. Ich halte euch nur auf …«
    Es gelang Usir, Worte zu finden, die dem Arzt neuen Mut einflößten. »Wir sind die einzigen Überlebenden unseres Volkes. Wir brauchen dich und deine Kenntnisse. Du darfst nicht sterben, bevor du nicht einem Jüngeren dein hohes Wissen übermittelt hast …«
    Am elften Tag, bei Sonnenuntergang, entdeckten sie eine Quelle. Ein dünnes Rinnsal von schlammigem Wasser sickerte aus dem Boden und bildete eine Pfütze, die von dornigem Gestrüpp umgeben war. Der Wind hatte sich gelegt. Die Sonne glitt in die Dämmerung hinein wie ein rot glühender Stein, der in den tiefen Schacht eines Brunnens fällt. Sofort nach Einbruch der Dunkelheit sank die Temperatur derart, wie sie es noch nicht erlebt hatten. Zähneklappernd drängten sie sich um die Lagerfeuer. In jener Nacht starb wieder ein Mann, den sie bei Sonnenaufgang beerdigten. Xoris lag am Boden und hustete, die Brust von Krämpfen geschüttelt. Er konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten. Leia befahl den Amazonen mit Hilfe von Zweigen und einigen Kleiderresten eine Bahre herzustellen, auf die sie den alten Mann legten.
    Dann machten sie sich wieder auf den Weg. Bald erreichte die Hitze ihre volle Stärke. Mit kraftlosen Beinen stapften sie durch den Sand. Die Fußsohlen waren vom Geröll aufgerissen und mit Blasen bedeckt. Jeder Schritt wurde zur Qual. Zwischen den Zähnen knirschten Sandkörner, Haare und Augenbrauen waren weiß verkrustet. Die Sonne stieg höher; der Himmel glich einer Halbkugel aus glänzendem Metall. Sehr weit hinten am Horizont zitterten Bruchstücke von Klippen in der flüssig wirkenden Luft und verflüchtigten sich wie eine Vision, sobald sie den Blick darauf hefteten.
    Gegen Mittag fanden sie eine Dünensenke, die ihnen etwas Schatten spendete. Dann, als es ein wenig kühler wurde, schleppten sie sich weiter, Schritt für Schritt. Der saphirblaue Himmel glänzte über dem Sand- und Geröllmeer und in der Ebene breiteten sich rauchblaue Schatten aus, als sie sich auf einen Engpass zwischen den Felsen zubewegten. Vor ihnen türmte sich Granitgestein wie Schwindel erregende, schwärzliche Tore auf. Die sinkende Sonne warf Flammenbündel auf die senkrechten Wände, deren Zacken über den Sandbänken zu hängen schienen.
    Torr und Merit schleppten die Bahre, auf der Xoris lag und stöhnte. Isa ging neben ihnen und half die Bahre zu stützen. Ihr Schritt war fest und sicher. Weder Hunger noch Durst noch Müdigkeit schienen ihr etwas anhaben zu können.
    Plötzlich blieb sie stehen und blickte wie suchend um sich. Mit bebenden Nasenflügeln sog sie die heiße Luft ein. »Da drüben ist Wasser … und grünes Land!«
    Usir starrte sie an, als hätte sie den Verstand verloren. Nichts war zu sehen außer Sand, Geröll und Gestein. Die Angst, dass sie einem Fieberwahn zum Opfer gefallen war, schnürte ihm die Kehle zu. »Du täuschst dich«, sprach er leise und legte den Arm um sie.
    Doch das Mädchen riss sich los und schüttelte wild ihre blonde Mähne. »Nein! Ich bin sicher … ich fühle es!« Auf einmal begann sie zu laufen. Sie blickten in tiefer Erschöpfung der schmalen Gestalt nach, die über Sand und Geröll zu fliegen schien.
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