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Zwei Sonnen am Himmel

Titel: Zwei Sonnen am Himmel
Autoren: Federica de Cesco
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Wasser auf, wobei sich die Arme der Sklaven auf und ab bewegten. Es waren dunkelhäutige Männer, die von den Gestaden des Großen Landes herübergebracht worden waren, »Beinah-Menschen«, wie die Bewohner von Atlantis sie verachtungsvoll nannten. Die Arbeit an der Ruderbank hatte die Muskulatur ihres Rückens und ihrer Arme so übertrieben entwickelt, dass sie zum übrigen Körper im krassen Missverhältnis stand.
    Ein unbestimmbarer Duft wurde vom Wind herangetragen und schwebte durch die Luft. Die Abhänge des Gebirges im Mittelpunkt der Insel standen zu jener Zeit, trotz der Trockenheit, die seit dem Auftauchen des zweiten Gestirns herrschte, in voller Blüte. Dennoch war Usir von der Stärke des Duftes überrascht, der sich schon wahrnehmen ließ, als die Insel eben erst wie ein schmaler, heller Streifen am Horizont zu erkennen war.
    In einiger Entfernung von den am Bug versammelten Offizieren stehend, atmete Usir den merkwürdigen Algen- und Blütengeruch tief ein. Er trug eine silberne Schuppenrüstung, die mit Stahlplatten belegt war, enge Beinkleider und bestickte lederne Sandalen. Sein Umhang aus fein gewebter, türkisblauer Wolle wurde auf den breiten Schultern mit Jadespangen zusammengehalten. Usirs tiefschwarzes Haar fiel in glatten Wellen über seinen Rücken. Er war achtzehn Jahre alt und, wie die meisten Bewohner von Atlantis, hoch gewachsen. Seine helle Haut war sonnenverbrannt. Sein eckiger Kiefer drückte Willenskraft aus und stand im Gegensatz zu den noch kindlichen Gesichtszügen. Der hohe Bogen der Wangenknochen gab den dunkel schimmernden, mandelförmigen Augen eine leichte Schrägneigung nach oben. Sie waren für gewöhnlich aufmerksam und scharf blickend, vermochten sich manchmal jedoch seltsam zu verklären; ihr Ausdruck schien dann Usir völlig zu verwandeln. Der tiefe, unergründliche Blick verlieh ihm etwas Erhabenes, das weder zu seinem Alter noch zu seiner üblichen Wesensart passte. Einzig Torr, der »Herr der Schiffe«, vermochte die Eigenart dieses Blickes zu deuten. Doch er hatte Usir gegenüber nie ein Wort darüber verloren …
    Ein Befehl schallte über Deck. Das dumpfe, machtvolle Vibrieren des Hammers wechselte den Takt. Langsam und schwerfällig wendete die Galeere nach Steuerbord. Der Wind blähte die purpurnen Segel. Ein riesiger Mammutschädel, dessen gewaltige Stoßzähne mit Gold eingefasst waren, schmückte den Bug des Schiffes. Die Augenhöhlen waren mit lapislazulifarbener Emaille ausgefüllt und spiegelten das dunkle Blau des Meeres wider. Usir hörte das Flattern der Segel, das Knirschen der Taue. Er wandte den Kopf. Die beiden anderen Galeeren hatten die Fahrt verlangsamt und bildeten jetzt mit dem Mammutschädel-Schiff ein spitz zulaufendes Dreieck. Das eine der beiden Begleitschiffe wies als Galionsfigur den Kopf eines Stieres mit vergoldeten Hörnern auf, das andere das Abbild einer geflügelten Schlange. Ihrem Emblem entsprechend hießen die Schiffe »Stier« und »Schlange«. Die Galeere mit dem Mammutschädel war das Kommandoschiff und trug den Namen »Riese«. Die drei Schiffe steuerten der Insel entgegen. Das tiefe Blau der offenen See wurde heller und durchsichtiger. An gewissen Stellen ließen die Sonnenstrahlen Felszacken und weiße Sandbänke durch das Wasser schimmern. Einstmals - so erzählte man sich - war die Insel viel größer gewesen. Doch vor langer Zeit waren durch eine Erderschütterung weite Teile im Meer versunken, nur der dicht bewaldete Gipfel in der Mitte ragte noch über dem Wasser empor. Der felsige, unebene Meeresboden machte jede Landung zu einem gefährlichen Abenteuer. Das musste einer der Gründe sein, weshalb die kriegerischen Frauen, die dort lebten, diese Insel seit vielen Generationen als Zufluchtsort gewählt hatten. Ihre schmalen, aus Baumstämmen gefertigten Pirogen glitten wie Schlangen zwischen Klippen und Sandbänken hindurch. Torr jedoch, der Admiral der königlichen Flotte, der »Herr der Schiffe«, besaß ein unfehlbares Feingefühl und spürte die nahenden Hindernisse rechtzeitig voraus. Es scheint - dachte Usir -, als habe er eine Reliefkarte des Meeresbodens in sein Gedächtnis eingezeichnet. Selbst bei Nacht irrte er sich nie.
    Ein Schatten fiel vor Usirs Füße. Der »Herr der Schiffe« trat zu seinen Offizieren und blieb neben seinem Neffen stehen. Er
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