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Zwei Sonnen am Himmel

Titel: Zwei Sonnen am Himmel
Autoren: Federica de Cesco
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fast tonlosen Klang. Seinen Worten nach zu urteilen schien er den Orakeln, die eine Katastrophe für das ganze Land voraussagten, ernstlichen Glauben zu schenken. Er aber, Usir, war jung und kühn und wehrte sich gegen - wie er meinte - krankhafte Ahnungen und Ängste …
    Das Auftreten eines Offiziers in weißem Mantel riss ihn aus seinen Gedanken. Der Mann stand vor ihnen und wartete ehrfürchtig und schweigend.
    Â»Was gibt’s?«, fragte Torr, aus seiner Versunkenheit aufschreckend.
    Â»Herr, wir fahren in die Bucht ein.«
    Torr neigte den Kopf. »Lasst die andern Schiffe wissen, dass sie uns auf offener See erwarten sollen.«
    Der Offizier hob den Arm und gab ein Zeichen. Am Heck richtete ein Seemann eine spiegelglatte glänzende Metallscheibe gegen die Sonne. Dreimal flammte ein Strahlenbündel auf und erlosch dann wieder. Die Ruder peitschten den Schaum der Wogen und verlangsamten die Fahrt der Biremen, während der »Riese«, wie ein Raubvogel auf dem Kamm der Wogen dahingleitend, in die verlassene Bucht einfuhr.
    Â»Begebt euch zu den Leuten«, sagte Torr zu den um ihn versammelten Offizieren. »Wir werden gleich landen.« Die Offiziere verabschiedeten sich, indem sie die Faust aufs Herz legten. Dann traten sie zu ihren Kriegern, die an der Reling standen und deren Rüstungen wie die geschmeidigen Schuppen eines Reptils in der Sonne glänzten. Halb nackte Matrosen kletterten in die Wanten, um die Segel einzuholen. Geführt von den präzisen Befehlen des Admirals näherten sich die Galeeren mit langsamen, gleichmäßigen Ruderbewegungen dem Strand. Ein kurzes Kommando - und der aus der Wirbelsäule eines Wals bestehende und mit Basaltgestein beschwerte Anker glitt ins Wasser. Dann senkten sich die Ruder und bildeten eine Brücke, über welche die Krieger das Festland erreichten.
    Usir setzte sich den Helm mit der Spitze aus Achat auf und zog die ledernen Riemen straff. Einmal mehr erregte das tadellose Manöver seines Onkels seine Bewunderung. Torr war sein nächster und einziger Verwandter. Er hatte Usir großgezogen, nachdem seine Eltern - so hatte Torr ihm erzählt - kurz nach seiner Geburt ums Leben gekommen waren. Doch es war Usir stets verwehrt gewesen, nähere Einzelheiten über sie zu erfahren. Torr sprach ungern von ihnen und trotz seiner Neugier wagte Usir es nur selten, ihn zu fragen. Schließlich hatte er sich damit abgefunden, nur ausweichende Antworten zu erhalten. Doch innerlich beschäftigte er sich oft mit den wesentlichsten Fragen: Wer waren seine Eltern? Wie waren sie umgekommen? Warum verheimlichte ihm Torr die genauen Angaben über seine Herkunft?
    Vielleicht bin ich nur ein Kind aus dem Volk, dachte Usir betrübt, und Torr muss sich meiner niedrigen Abstammung schämen.
    Aber Torr hatte ihm die beste Erziehung zukommen lassen. Die hervorragendsten Lehrer hatten ihn lesen und schreiben gelehrt, ihn in der Rechenkunst und Astronomie unterwiesen. Als er alt genug war, um eine Karriere wählen zu können, hatte Torr ihn überredet sich bei der königlichen Marine anwerben zu lassen. Obwohl Torr ihn offensichtlich als seinen Nachfolger betrachtete, hatte er ihm gegenüber nie ein Vorrecht geltend gemacht. Im Dienst wurde Usir allen anderen Offizieren gleichgestellt. Im Falle einer Vernachlässigung zögerte Torr nicht, den Jüngling mit aller Strenge zu bestrafen, um ihn zu Pflichtbewusstsein und Rechtschaffenheit zu erziehen. Außerhalb des Dienstes jedoch zeigte er sich als weiser, liebevoller Lehrer und Gefährte. Usir konnte das merkwürdige Gefühl nicht loswerden, dass seine Ausbildung als zukünftiger Admiral nur ein Vorwand war, um ihn in die Regeln der Staatsgeschäfte und der Militärführung einzuweisen. Im Grunde schien Torr ganz andere Pläne mit ihm zu haben. Aber welche? Über diese Frage zerbrach sich Usir immer wieder den Kopf, doch keine befriedigende Antwort wollte ihm einfallen.
    Die Strenge seiner Erziehung hatte den von Natur aus edlen und aufrichtigen Charakter des jungen Mannes gestählt, ohne dass es ihr jedoch gelungen war, seine Neigung zur Kühnheit zu zügeln, was seinem Stolz dann manchmal auch üble Streiche spielte. Einmal mehr musste Usir sich verlegen eingestehen, dass Torr ihn vollkommen durchschaut hatte. Usir wusste wie alle anderen, dass dieser Expeditionszug, der auf Befehl des Priester-Königs ausgeführt wurde, in
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