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Zwei kunterbunte Freundinnen | Das Chaos wohnt nebenan

Zwei kunterbunte Freundinnen | Das Chaos wohnt nebenan

Titel: Zwei kunterbunte Freundinnen | Das Chaos wohnt nebenan
Autoren: Anne Holt
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Familie aber auch die Einzige«, sagte Mama lachend.
    »Wer will was?«, fragte Papa. »Ich denke, es ist was für jeden Geschmack dabei. Hast du das Babyfon mitgebracht, Gro?«
    »Hier«, sagte Mama und stellte das Gerät an den äußeren Bankrand, ehe sie den Blick hob und Anna ansah. »Juni ist eigentlich schon zu groß fürs Babyfon, wenn wir nur im Garten sind und ihr Fenster angelehnt ist, aber weißt du …«
    Wenn Mama von Juni sprach, konnte sie irgendwie nicht mehr in ganzen Sätzen reden.
    »Schon klar, Juni ist ein bisschen komisch in der Birne«, sagte Märzbritt und zeigte auf das größte Stück Fleisch. »Das hätte ich gern, gut durchgebraten bitte. Juni ist die tollste kleine Schwester, die ich kenne, aber eben ein bisschen komisch in der Birne. Da braucht man ein Babyfon. Wenn sie wach wird, ohne dass einer das mitbekommt, stellt sie womöglich das ganze Haus auf den Kopf.«
    »Genau«, sagte Mama erleichtert und setzte sich vor dem Baumstumpf ins Gras, der übrig geblieben war, nachdem Papa zum letzten Weihnachtsfest eine Motorsäge geschenkt bekommen hatte. »Aber ich finde es nicht nett, dass du sie als komisch in der Birne bezeichnest.«
    »Wie du meinst«, sagte Märzbritt und bediente sich aus der Chipsschale. »Opa sagt dauernd, dass
ich
komisch in der Birne bin, und ich finde das gar nicht schlimm. Kriegt Rambo auch ein Stück Fleisch?«
    Anna schüttelte den Kopf. »Später vielleicht, wenn was übrig bleibt. – Ich glaube, ich muss mal ein ernstes Wort mit Opa sprechen«, sagte sie dann seufzend, wickelte sich in eine Decke und setzte sich auf eine der weißen Bänke.
    Maibritt schob sich zwischen Tisch und Bank entlang und setzte sich neben Anna. Anna lüpfte die Decke und nahm Maibritt mit hinein. So saßen sie aneinandergekuschelt in dem schottisch karierten Zelt.

    Maibritt schloss die Augen. Es duftete nach Frühling. Nach Lagerfeuer und Erde, nach Grillfleisch und warmem Felsen. Anna summte ein Sommerlied, und Märzbritt assistierte Papa beim Grillen. Sie diskutierten und lachten, und Papa drehte die Fleischstücke auf dem schweren Eisenrost um, damit sie nicht verkohlten.
    Mama sagte nichts. Als Maibritt die Augen öffnete, sah sie, dass Mama eingeschlafen war.
    Mama sah sehr süß aus, wenn sie schlief, genau wie Juni. Ihre Haut war dann glatter und der Mund ganz weich. Mama hatte so viel Unruhe in sich, dass sie zwischendurch ganz erschöpft davon war. Wahrscheinlich musste sie deshalb so viel schlafen. Mama schlief mehr als Maibritt, und eigentlich war es ungewöhnlich, dass Mütter länger als ihre Töchter schliefen. Jedenfalls, wenn die Töchter gerade acht Jahre alt geworden waren.
    »Du musst kein schlechtes Gewissen haben«, flüsterte Anna in Maibritts Ohr. »Weil deine Mama den Polizisten eine Lüge aufgetischt hat, meine ich.«
    Maibritt drückte sich fester an Anna.
    »Deine Mama ist selbst verantwortlich für das, was sie tut«, redete Anna leise weiter. »Du bist du, und deine Mutter ist deine Mutter. Aber deswegen hat sie dich trotzdem über alles lieb.«
    »Glaubst du das?«, flüsterte Maibritt.
    »Oh ja, sie liebt dich. Und außerdem ist sie sehr, sehr stolz auf dich.«
    »Woher weißt du das?«, flüsterte Maibritt.
    Der Abend war schlagartig nicht mehr so kühl. Der Himmel war dunkelblau und am Horizont ein bisschen heller. Frühlingsabende standen ganz oben auf der ziemlich kurzen Liste der Dinge, die Maibritt glücklich machten, und dieser war der schönste von allen.
    »Das spüre ich«, sagte Anna und drückte Maibritt an sich. »Und ich sehe es in ihren Augen. Ich kann mir vorstellen, dass es manchmal ziemlich anstrengend ist, so eine wuselige Mama zu haben, aber doch sicher auch sehr lustig, oder?«
    Maibritt grinste und dachte nach.
    »An Heiligabend hat Mama den Weihnachtsmann gespielt«, flüsterte sie und hielt die Hand vor den Mund, um nicht laut loszulachen. »Sie wollte sich unbedingt durch den Schornstein abseilen. Natürlich blieb sie stecken, und wir mussten die Feuerwehr rufen. Die Geschenke gab’s erst am ersten Weihnachtstag.«
    Anna lächelte. »Anders zu sein ist was Gutes, Maibritt. Es ist toll, nicht wie alle anderen zu sein.«
    »Essen ist fertig!«, riefen Märzbritt und Papa im Chor.
    Sie setzten sich an den Tisch und aßen lange und ausgiebig. Märzbritt und Maibritt machten Pläne für den nächsten Tag. Mama sah richtig entspannt aus. Sie aß fast so langsam wie die anderen und überließ Papa die Verantwortung für das Essen,
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