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Zwei auf Achse

Zwei auf Achse

Titel: Zwei auf Achse
Autoren: Werner Schrader
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Straße, nahm er eine Semmel aus der Tüte, ließ auch Lutz hineingreifen und begann zu essen.
    „Nicht schlecht“, sagte er mit vollem Mund, „die sind knackfrisch.“ Sie schlenderten langsam den Fußweg entlang und aßen dabei die ganze Tüte leer. Joachim wollte gerade den Kuchen auswickeln, da fiel ihm etwas ein.
    „Mensch“, rief er, „sind wir noch zu retten? Jetzt haben wir alle Semmeln trocken ‘runtergemampft und gar keine Wurst dazu gegessen!“
    „Macht doch nichts“, antwortete Lutz, „dann essen wir eben die Wurst hinterher. Im Magen kommt ja doch alles zusammen.“
    An der nächsten Straßenecke fanden sie eine Schlachterei.
    „Metzgerei nennen sie das hier“, sagte Lutz. „Ulkige Bezeichnung, was?“
    „Immer noch besser als Fleischhauerei“, entgegnete Joachim.
    Sie traten ein und staunten nicht schlecht, als sie das Mädchen, das im Bäckerladen so geweint hatte, wiedersahen. Es stand am Ladentisch, schüttelte soeben den Kopf und sagte leise: „Nein, mehr Geld hab’ ich nicht.“
    Die Frau an der Kasse sah sie an.
    „Hast du auch gut nachgeschaut?“ fragte sie. „In jeder Tasche?“
    „Ja“, antwortete das Mädchen, verzog das Gesicht und begann herzzerbrechend zu weinen. „Meine Mama hat alles genau gezählt. Wenn ich was verloren habe, schlägt sie mich immer.“
    „Na na“, tröstete die Frau hinterm Tresen, „wer wird denn gleich weinen! Gib deine Wurst noch einmal her, ich schneide sie in der Mitte durch, dann stimmt’s mit dem Geld.“
    „O nein, bitte, bitte nicht!“ schluchzte das Kind „ich muß alles nach Hause bringen!“
    „Laß das Maderl gehen!“ rief ein dicker Mann, der im Hintergrund Koteletts klopfte, der Frau zu. „Die Mark macht uns nicht ärmer.“ Die Frau wandte sich kurz um, hob die Schultern und nickte dann der Kleinen zu.
    „Lauf nur“, sagte sie. „Aber das nächstemal paßt du besser auf, gelt?“
    Witsch, war das Mädchen draußen.
    „Eltern gibt’s“, sagte die Frau, „da kann man nur den Kopf schütteln!“
    „Das ist wahr“, stimmte Joachim zu, indem er an den Tresen herantrat. „Ein Kind schlagen wegen einer lumpigen Mark! Wenn man so etwas erlebt, weiß man erst, wie gut man es mit seinen eigenen Eltern getroffen hat!“ Er kniff ein Auge zu und grinste Lutz an.
    Sie kauften ein dickes Stück Fleischwurst und ein halbes Pfund Geflügelsalat. Diesmal bezahlte Lutz. Draußen schnippte Joachim mit den Fingern und rief: „Mensch, Lutz, die kleine Betrügerin ist uns im rechten Augenblick über den Weg gelaufen! Jetzt weiß ich, wie wir unsere Finanzen aufbessern können.“
    Lutz sah ihn an.
    „Willst du den Leuten etwa auch was vorheulen, damit du die Wurst ‘ne Mark billiger kriegst?“
    Joachim schüttelte den Kopf.
    „Quatsch“, erwiderte er, „’ne Mark bringt doch nichts! Nee, bei uns geht’s um größere Summen. Mit 20 Mark fangen wir an, und wenn’s klappt, steigern wir uns auf 50 und 100 Mark.“
    „Was hast du denn vor?“ fragte Lutz.
    Joachim schnitt das Stück Wurst in der Mitte durch, gab Lutz eine Hälfte und sagte, während er von seinem Stück abbiß: „Wir spielen den Leuten ein ergreifendes Theaterstück vor, einen Einakter mit tragischem Ausgang. Paß auf! Du bist die Hauptfigur. Du sollst nämlich für deinen Vater Zigaretten holen. Er hat dich mit einem Zwanzigmarkschein losgeschickt. Weil du aber leichtsinnigerweise nicht aufgepaßt hast, ist dir der Schein aus der Tasche gerutscht und verschwunden. Du suchst und suchst, kannst ihn aber nicht wiederfinden. Sicherlich hat ihn längst jemand aufgehoben und sich damit verdrückt, wie’s ja so im Leben ist. Nun stehst du da, heulst Rotz und Wasser und traust dich nicht nach Hause. Dein Vater ist nämlich ein jähzorniger Mensch, der dich halb totschlägt, wenn er hört, was dir passiert ist. Ich komme zufällig vorbei, helfe eine Weile suchen und bemühe mich, dich zu trösten. Aber du wirst immer verzweifelter, kriegst einen richtigen Anfall und willst dich vor ein Auto werfen. Gott sei Dank kann ich dich in letzter Sekunde zurückreißen. Natürlich macht das alles einen großen Wirbel. Die Leute bleiben stehen, stellen Fragen und erfahren von mir, was vorgefallen ist. Aus dir ist nichts herauszukriegen, du flennst nur und schüttelst dich. Da du überhaupt nicht zu beruhigen bist und die Umstehenden durch dein Gejammer immer mehr von Mitleid erfaßt werden, greift endlich einer der Männer in seine Brieftasche, zückt einen Zwanzigmarkschein
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