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Zwei auf Achse

Zwei auf Achse

Titel: Zwei auf Achse
Autoren: Werner Schrader
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früheren Verlobten, einen gewissen Herrn... wie heißt der Knabe?“
    „Telfers“, sagte Lutz.
    „Jawohl! Sie möchte ihm mal ihre Kinder vorstellen, weiß aber dummerweise nicht, wo er wohnt. Alles klar?“
    „Ja, alles klar.“
    Im Einwohneramt erlebten sie mit Erleichterung, daß die Sache viel einfacher ablief, als sie befürchtet hatten, und daß ihre Vorbereitung auf ein peinliches Befragtwerden unnötig gewesen war. Kein Mensch wollte von ihnen wissen, wer sie waren und warum sie sich nach einer Anschrift erkundigten. Verblüfft aber waren sie darüber, daß sie für die Auskunft etwas bezahlen mußten.
    „Kauft euch an der Kasse in Zimmer 101 eine Gebührenmarke zu drei Mark“, sagte der Mann am Schalter, „und dann kommt zu mir zurück. Ich suche euch inzwischen schon die Adresse heraus.“
    „Drei Mark für so eine gammelige Auskunft!“ flüsterte Joachim, als sie das Zimmer verlassen hatten und zur Kasse gingen. „Die nehmen’s auch von den Lebendigen!“
    „Sei doch still!“ flüsterte Lutz zurück. „Hauptsache, es geht alles glatt!“
    Es ging alles glatt. Nachdem sie die Gebührenmarke gekauft und dem Beamten am Schalter ausgehändigt hatten, bekamen sie die Adresse sogar schriftlich. Bernhard Telfers wohnte in der Thalkirchner Str. 43. Ob er jedoch verheiratet war und Kinder hatte, stand nicht auf dem Bogen.
    Sie bedankten sich und gingen hinaus.
    „So, das wäre geschafft“, sagte Joachim. „Was nun? Wollen wir deinem Vater sofort auf die Bude rücken, oder geben wir ihm noch eine Gnadenfrist?“
    Lutz sah auf seine Uhr.
    „Es ist gerade zehn durch“, sagte er. „Meinste nicht, daß das eine günstige Zeit ist für einen Besuch? Mein Vater wird doch wohl jetzt nicht mehr im Bett liegen!“
    „Kann man nicht wissen“, entgegnete Joachim. „Kommt ganz drauf an, wann er sich ‘reingelegt hat. Unter Umständen ist er ein Nachtarbeiter, der den ganzen Tag pennt und erst am Abend munter wird.“
    „Oder er ist ein Tagarbeiter, der schon früh um sieben das Haus verläßt“, sagte Lutz. „Was machen wir also?“
    „Ich schlage vor, wir gehen hin und erkundigen uns ganz unverbindlich nach ihm“, sagte Joachim. „Treffen wir ihn an, ist es gut, treffen wir ihn nicht an, wird uns seine liebe Frau oder wer da sonst ‘rumgeistert, bestimmt sagen können, wann er an die Bude kommt.“
    Ein Blumenhändler beschrieb ihnen den Weg in die Thalkirchner Straße, und sie marschierten los. Am Gärtnerplatz stellte Lutz fest, daß er immer noch den Geflügelsalat in der Hand trug und das Papier schon durchgeweicht war. „Halt mal an“, sagte er. „Wollen wir das Zeugs nicht auffuttern? Ich hab’ schon ganz klebrige Hände.“
    „Okay“, rief Joachim. „Wir können ja den Rosinenkuchen dazu essen, das ist bestimmt ein origineller Geschmack.“ Er wickelte den Kuchen aus und brach ihn in der Mitte durch.
    „Hier“, sagte er, „das ist dein Stück. Nun kipp den Geflügelsalat darauf, dann haben wir ein Süßsauer auf Bayernart.“
    Lutz löste das fettige Papier um den Geflügelsalat und schüttete etwa die Hälfte auf Joachims Kuchen. Er selber zog es vor, Salat und Kuchen nacheinander und nicht miteinander zu essen. Natürlich unterbrachen sie während der Mahlzeit ihren Marsch nicht, sondern wanderten munter weiter. So erreichten sie die Thalkirchner Straße, obwohl sie noch zweimal fragen mußten, schon gegen 11 Uhr. „Da wären wir“, sagte Joachim. „Gleich kannst du deinem Vater in die Arme sinken.“
    Die Straße war lang, und sie mußten noch über eine halbe Stunde nach der Hausnummer 43 suchen. Als sie sie endlich gefunden hatten, wollte Joachim sofort an die Tür gehen und klingeln, aber Lutz, der seit einigen Minuten sehr still geworden war, hielt ihn am Ärmel zurück. „Halt“, sagte er, „warte noch! Ich muß mir doch genau überlegen, was ich meinem Vater sagen will.“
    „Du machst mir Spaß“, rief Joachim. „Was willste denn da überlegen? Du sagst Tag, Papa, da bin ich! Fertig! Dann wird er sich schon irgendwie äußern.“
    Lutz schüttelte den Kopf.
    „Nee“, sagte er, „so geht das nicht. Es kann ja sein, daß er verheiratet ist und Kinder hat! Was meinst du, was ich anrichte, wenn ich da so einfach ‘reinkomme und ihm sage, daß ich sein Sohn bin! Daß er aus allen Wolken fällt, ist doch klar. Unter Umständen schmeißt er uns sogar ‘raus! Und dann war alles umsonst. Ich meine, wir sollten es ganz vorsichtig anfangen, damit er nicht kopfscheu
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