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Zwanghafte Gier

Zwanghafte Gier

Titel: Zwanghafte Gier
Autoren: Hilary Norman
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brachte Alex keinen Laut hervor.
    Bis sie sah, wie Bolin zur Luke zurückkroch, sich aufrichtete und hinauskletterte.
    Bis sie sah, wie die Falltür sich zu schließen begann.
    Dann schrie sie.

125
    Nachdem die Heizung des Honda lief und es Jude gelungen war, ein wenig Leben in seine Arme und Beine zurückzubringen, wusste er, dass er nicht in der Verfassung war zu fahren; aber er wusste auch, dass er es trotzdem tun musste.
    Er kam sogar gut voran.
    Bis er östlich von Peacehaven in einen Stau geriet.
    Eine Baustelle behinderte den Verkehr in beide Richtungen.
    Jude schaute nach rechts und sah eine Frau in einem VW, die auf der anderen Seite feststeckte und ihn anstarrte.
    Ihm war klar, wie er aussehen musste.
    Wie ein Albtraum.
    Wenn sie wüsste ...
    Wieder erschien das tote Gesicht vor Judes geistigem Auge.
    »Geh weg«, sagte er laut.
    Die Frau im anderen Auto schüttelte den Kopf und wandte sich ab.

126
    Suzy saß oben im Gästezimmer des Melton Cottage und schaute auf die Uhr.
    Fünfzehn Minuten.
    Es war dumm und verrückt, noch länger zu warten, ja überhaupt so lange gewartet zu haben – auch nur eine Minute länger damit zu warten, der Polizei zu sagen, dass der Freund ihrer Schwägerin eine Leiche aus dem Kanal nahe dem Meer gefischt hatte ... und dass er kurz davor ebenfalls in diesen Kanal gestoßen worden war, um sich zu dem Toten zu gesellen.
    Doch was Jude gesagt hatte – dass sie, Suzy, ihm Zeit geben solle, damit er zu Alex gehen konnte, sodass sie nicht länger allein war –, ließ Suzy zögern.
    Natürlich bestand nach wie vor die Möglichkeit, dass Jude Brown verrückt war. Genau genommen kannte Suzy ihn gar nicht, auch wenn er sich die Mühe gemacht hatte, mit ihrer Hilfe das Matt-und-Ally-Fotoalbum zusammenzustellen, und auch wenn Ally ihn liebte.
    Doch Alex’ eigener seltsamer Telefonanruf kurz davor musste irgendetwas zu bedeuten haben. Es musste eine Art Warnung gewesen sein, oder vielleicht sogar, dachte Suzy nun, ein Hinweis, eine düstere Vorahnung, ein Hilfeschrei.
    »Frag David, was er tun würde«, hatte sie so oder ähnlich gesagt.
    Und David war der Letzte, an den zu wenden Alex ihr vorschlagen würde.
    »Besser noch, lass ihn einen seiner Kollegen fragen.«
    David war Strafverteidiger, also konnte man die Polizei nicht wirklich als seine ›Kollegen‹ bezeichnen, eher im Gegenteil. Aber wenn Alex unter den Umständen nichts Besseres eingefallen war?
    Was immer für Umstände es sein mochten.
    Suzy schaute erneut auf die Uhr.
    Sechzehn Minuten.
    »Scheiß auf dieses Spiel«, sagte sie ...
    ... und nahm den Hörer ab.

127
    Alex hatte aufgehört zu schreien.
    Zum einen, weil der Gestank jedes Mal, wenn sie den Mund öffnete, in ihre Kehle drang, in ihre Lunge und in ihren Magen.
    Zum anderen, weil sie wusste, dass sie nachdenken musste, und Schreien hielt sie davon ab und war Energieverschwendung.
    Sie wusste, dass sie sich beruhigen musste. Tief durchatmen.
    Nein, nicht tief durchatmen. Nicht hier.
    Ihr Verstand raste; ihre Gedanken überschlugen sich.
    Zunächst einmal dankte sie Gott, dass sie es war, die man an einen Sarg gefesselt hatte, nicht Jude. Jude hätte das nicht ausgehalten, hätte vielleicht sogar den Verstand verloren.
    Das Nächste, was ihr bewusst geworden war, war die Tatsache, dass nicht Jude in diesem Sarg lag – das war ja unmöglich, denn was immer Bolin mit ihm gemacht hatte, er hatte sicherlich keinen Sarg bereit gehabt ... oder?
    Aber wenn es nicht Jude war, wer war es dann?
    Alex hatte bereits erfolglos versucht, sich davon zu überzeugen, dass der Sarg leer war. Der Gestank hatte es ihr unmöglich gemacht.
    Und die Fliegen.
    Alex hatte sie wegen der Dunkelheit und des Lärms, den sie gemacht hatte, zuerst nicht bemerkt. Doch nun konnte sie nicht anders, als sie zu bemerken: das Summen und Kriechen und Krabbeln ...
    Roz Bailey.
    Natürlich.
    Mein Gott.
    »Jude«, sagte Alex laut, als könne er sie hören, als könne sie ihn irgendwie erreichen.
    Die Erkenntnis, dass es Mrs Bailey war, ließ sie vor Grauen beinahe wieder schreien, aber das hätte Bolin vielleicht wieder heruntergerufen, und Alex lebte im Augenblick wenigstens noch. Doch wenn sie Bolin zu weit trieb ... wer konnte sagen, was er ihr antun würde.
    Ihre Handgelenke schmerzten, und ihre Arme waren auf unangenehme Art verdreht. Alles war unangenehm, wenn man an einen Sarg gefesselt war.
    Denk nicht darüber nach, was darin ist.
    Wer.
    Alex versuchte stattdessen, an Suzy zu denken. Sie
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