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Zwanghafte Gier

Zwanghafte Gier

Titel: Zwanghafte Gier
Autoren: Hilary Norman
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richtigen Ort.
    Roz scheint mit ihrem verkaterten Spielerkopf zum ersten Mal zu bemerken, dass Frankie eines ihrer kleinen Gartenwerkzeuge in den Händen hält: eine Miniatursichel.
    »Sprießt das Unkraut wieder?«
    Ja, es sprießt wieder. Schon zum zweiten Mal diesen Monat hat das verdammte Zeug sich zwischen den spanischen Fliesen hindurchgequetscht.
    »Ja«, bestätigt Frankie. »Ziemlich lästig.«
    Roz kommt näher und schaut es sich an. »Wir werden an die Wurzeln gehen müssen.«
    »Ich gehe Weedol kaufen«, sagt Frankie.
    Roz runzelt die Stirn. »Geben Sie Acht, dass es keine Flecken auf den Fliesen gibt.«
    »Bevor ich es kaufe«, erwidert Frankie, »lese ich besser die Gebrauchsanweisung durch.«
    Roz blickt auf die kleine Sichel, die Frankie noch immer in der Hand hält, und eine Ader pocht auf ihrer Stirn. »Ich hoffe, Sie haben damit nicht die Steine zerkratzt.«
    Einen Augenblick lang juckt es Frankie in den Fingern.
    Nein , ermahnt sie sich. Kein Blut.
    »Ich liebe meine Fliesen«, bemerkt Roz.
    Ihre Fliesen.
    »Ich hole den Kaffee.« Frankie legt die Sichel beiseite, wohl wissend, dass sie diese noch wird reinigen müssen, bevor sie wieder ihren Platz neben der Kelle hinter den Orchideen findet. »Setzen Sie sich doch, Mrs B. Sie sehen aus, als könnten Sie es gebrauchen.«
    Während sie in der Küche darauf wartet, dass das Wasser im Kocher zu brodeln beginnt, sieht Frankie, wie ihre Hände zittern.
    Hör auf damit, Mädchen.
    Jetzt gibt es kein Zurück mehr.
    Sie öffnet die Keksdose, holt zwei Vollkornbiskuits und zwei Pfeffernüsse heraus und legt sie auf einen blassgrauen Teller. Das Zittern endet.
    Wenn sie wollte, könnte sie jetzt zurückgehen.
    Das Wasser im Kocher blubbert, und das Gerät schaltet sich automatisch aus.
    Jetzt ist es zu spät.
    Frankie schenkt ein – zuerst in den Becher aus dem Caesar’s Palace, dann in ihren eigenen.
    »Wie’s gerade kommt«, sagt Roz immer, wenn es um Kaffee oder Tee geht.
    Gut gemacht , denkt Frankie und gibt Milch in den Mix aus Kaffee, zermahlenen Tabletten und Zucker.
    Dann sieht sie die Krümel.
    Es sind zwei, auf der Arbeitsplatte zwischen der Dose und dem Tablett.
    Frankie reißt ein Küchentuch ab und wischt die Krümel in ihre linke Hand; dann öffnet sie den Mülleimer mit dem rechten Fuß, faltet das Papier ordentlich um die Krümel und wirft es hinein.
    Nur dass sie plötzlich nicht mehr sicher ist, ob die Krümel wirklich hineingefallen sind.
    Sie schickt sich an, auf dem Boden nachzusehen.
    Nicht jetzt.
    Aber wenn ein Krümel auf dem Vinylbelag ist, und wenn sie ihn vergisst und später drauftritt ...
    Nicht jetzt, Frankie.
    Mit größter Willensanstrengung richtet sie sich auf und nimmt das Tablett.
    Tritt drauf, und aus einem Krümel werden hundert.
    Eine andere Stimme meldet sich in ihrem Kopf.
    »Dumme Kuh.«
    Bos Stimme.
    Einen Augenblick hat Frankie das Gefühl, als würde das Zittern wieder anfangen, doch sie bekommt es unter Kontrolle.
    »Die Krümel können mich mal«, sagt sie leise.
    Und du mich auch, Bo.
    Sie balanciert das Tablett aus und trägt es vorsichtig, um nur ja keinen Tropfen Kaffee zu verschütten, in den Wintergarten.
    »So, da wären wir«, sagt sie.

2
    Selbst jetzt noch, fünf Jahre später, kommen Alex die Erinnerungen, wenn sie auf den Herd blickt, und sie muss daran denken, wie sie losgezogen war, um ihn zu bestellen.
    Es war drei Tage nach Matts Beerdigung gewesen, an dem Tag, nachdem ihre Mutter Sandra wieder nach Stockholm geflogen war, wo sie mit ihrem neuesten Mann lebte. Alex war erleichtert gewesen, zugleich aber beschämt, weil sie so empfand.
    Der Herd der Edelmarke Aga war Alex’ Geschenk für ihn. Das war besser als Blumen auf dem Grab, aber die hatte sie ihm am selben Tag natürlich auch gebracht: einen Strauß Rittersporn, den sie bei einem Blumenhändler an der Selsdon Road gekauft hatte. Rittersporn war Matts Lieblingsblume.
    Alex hatte die Blumen auf dem Grab verteilt, sodass es aussah, als hätte der Wind sie dorthin geweht. Dann hatte sie sich neben das noch frische und vergleichsweise öde Grab gehockt und ihm von dem Aga erzählt.
    »Ich habe den Herd bestellt, Schatz. In dem Blau, das du dir gewünscht hast. Fast die gleiche Farbe wie die Blumen hier.«
    Gut eine Stunde später hatte Alex sich daran erinnert, dass Rittersporn giftig war. Sofort war sie in den Wagen gesprungen und wieder zum Friedhof gefahren, um die Blumen zurückzuholen. Sie hatte Angst, ein Vogel oder ein anderes Tier
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