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Zungenkuesse mit Hyaenen

Zungenkuesse mit Hyaenen

Titel: Zungenkuesse mit Hyaenen
Autoren: Else Buschheuer
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, die von Fernsehteams begleitet wurde. Es war Benedikt von Rube, der ihn in seinem Blatt zum neuen Popcellisten der Nation hochschrieb. Als Frau Hippe Béla zum ersten Mal in der Zeitung erblickte, erlitt sie vor Freude einen tödlichen Herzinfarkt, glücklicherweise kurz nachdem sie beim Notar gewesen war. Das Cello gehörte nun ihm, er war frei.
    Aber nicht lange. Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt hatte Béla die Rote Müllerin kennengelernt und war ihr Liebhaber geworden, und er wäre es heute noch, wenn nicht alles so einen unrühmlichen Verlauf genommen hätte. Es war zum Beispiel nicht ausgemacht gewesen, dass er sich in sie haltlos verlieben solle, aber es widerfuhr ihm, und er entdeckte an sich einen Aufopferungswillen, einen Hang zur glücklichen Sklaverei, der ihm bisher völlig fremd gewesen war. Alles, alles hätte er für diese Feuerfrau getan! In den ersten Wochen hatte Béla nicht wahrhaben wollen, wer sein mächtiger Konkurrent war, und das, obwohl der Erfolgsproduzent in jenem Konzert neben ihr gesessen hatte, und es war ihm auch nicht klar gewesen, dass er alles andere als seine Karriere vorantrieb, das Einzige, was er mit der Affäre verursachte, war das Unglück, das nun seinen Lauf nahm. Zum einen liebte ihn die Müllerin ostentativ nicht zurück, sie wurde immer strenger, härter und verletzender, zum anderen schwächte ihn der Liebeskummer so sehr, dass er nicht mehr genügend Energie für das Vorantreiben seines Ruhms aufbrachte. Das Schlimmste aber war, dass er mit seinen verliebten Trotteleien, Betteleien und Hinterherspionierereien erst Müllers Aufmerksamkeit, dann sein Amüsement, dann seinen Zorn erweckt hatte.
    Blind für all das, kratzt er bis dreimal wöchentlich an Felicitas’ Tür, einmal tritt er sie sogar ein. Als er ihr einmal beiläufig die Geschichte von Frau Hippe und dem Cello erzählt, hört sie nicht weg wie sonst, sondern lauscht aufmerksam und fragt nach, wie er denn über so viele Jahre hinweg mit einem alten Weib habe ins Bett steigen und erigieren können, wie sich ihr Zusammenleben gestaltet habe und wie deutlich diese Erpressungssituation ihren Umgang prägte. Béla, überglücklich allein durch ihr Interesse, das sie ihm erstmals ganz schenkte, erzählt alles. Wie sich Frau Hippes Haut angefühlt hatte,wie ihr Atem roch, sogar die Beschaffenheit ihrer Alterswarzen und die Farbe ihrer Schamhaare beschrieb er, und zwar mit einer fast schon unerträglichen Detailfreude. Die Taktiken, die er angewendet hatte, um sich die Seniorin gewogen zu halten, schienen Felicitas zu erstaunen, ja, zu erfreuen. Der banale Schönling, von dem sie sich ab und an besteigen ließ, schien ja doch etwas auf dem Kasten zu haben. Er war in der Lage, ein Ziel zu verfolgen und zu erreichen, und das unter durchaus misslichen Umständen. Béla imitierte, selig über die Aufmerksamkeit der Roten Müllerin, sogar Frau Hippes Schnarchen, er hielt die Kaffeetasse wie sie (mit drei abgespreizten Fingern), er ahmte sogar ihren Gang nach, eine Mischung aus Schlurfen und Trippeln, herrührend von einer künstlichen Hüfte und einem Gelenkkopf, der, Frau Hippe wurde nicht müde, davon zu erzählen, bereits mehrfach »aus der Gelenkpfanne gehüpft« sei.
    Ihm ging nicht auf, dass Felicitas etwas im Schilde führte, doch er sollte bald erfahren, was. Sie hat mit dem Geld, das ihr Müller für die Miete überwies, die Arztrechnungen ihrer Eltern bezahlt, ist nun fünf Mieten im Rückstand und spricht bei Herrn Puvogel vor. Der erklärt sich als »längst nicht mehr zuständig« für die Belange des Leuchtturms und schickt Felicitas zu seiner Exfrau. Frau Puvogel tritt Felicitas klirrend kühl entgegen, da sie ihr »lärmintensives Freizeitverhalten« nicht billige und sogar eine Unterschriftensammlung vorweisen kann, die es dagegen gibt. Bei so viel Stutenbissigkeit muss ein Don Juan her.
    Nun setzt Felicitas Béla auf Frau Puvogel an, mit der Absicht, sie ihr gewogen zu machen und ihre Mietschulden zu stunden. Béla erblasst, als er erfährt, dass er der nächsten alten Schachtel den Hof machen soll. Da ihm aber Felicitas fast so nahesteht wie sein Stradivari-Cello – er liebt ihre Halslänge, ihren Korpus, ihre Zargenhöhe –, gibt er nach. Er würde alles für sie tun, alles, und wenn er das täte, dann würde sie vielleicht eines Tages in seinen Besitz übergehen, erwürde sie in einer Panzerglasvitrine im Esszimmer aufbewahren, ihre Saiten streichen, sie zwischen die Beine klemmen und ihren
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