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Zum weißen Elefanten

Zum weißen Elefanten

Titel: Zum weißen Elefanten
Autoren: Mary Scott
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immer als Innenarchitektin arbeiten. Du weißt, Kunst war in der Schule mein einziges gutes Fach.«
    Jane zuckte zusammen. Sie zog es vor, die kurze Zeit zu vergessen, als Katherine achtzehn war, sonderbare Kittel trug und von ihrer Künstlerseele und der Schöpferfreude sprach. Das war das einzige Mal, daß es zwischen ihnen Meinungsverschiedenheiten gegeben hatte, aber diese Zeit war vorübergegangen und hatte keine schlimmen Wirkungen hinterlassen; Kits einzige schöpferische Betätigung hatte darin bestanden, kleine Weihnachtskarten mit sehr blauem Wasser und sehr roter Tunke zu bemalen. Das war ein äußerst sparsames Verfahren, aber ihre Freunde hatten sich Jahr für Jahr an derselben Szene sattgesehen.
    Jane gab jedoch offen zu, daß ihre Kusine einen sehr viel besseren Sinn für Farben hatte als sie und in dem alten Haus gute Arbeit leisten würde. Innerhalb von fünf Minuten war der Plan fertig. »Wir werden uns dort niederlassen und billig leben.«
    »Ja, und etwas von unserem Geld für Farbe und Papier brauchen. Es wird uns nicht viel kosten, und wir können jederzeit von Fischen leben, Flundern, weißt du, Jane. Man spießt: sie im Fackelschein auf, macht Parties am Strand und grillt sie. Das gibt einen Spaß. O Jane, laß uns sofort hingehen. Ich wollte schon immer einmal die weite freie Natur erleben, wie das Mädchen in dem Buch, das ich gerade gelesen habe.«
    Katherine sah sehr gefühlvoll und beunruhigend künstlerisch aus, aber Jane dachte daran, daß ihre Kusine eigentlich gar nichts von der weiten freien Natur wußte und wahrscheinlich entsetzt sein würde, wenn sie nicht ins Kino oder zu einer Party gehen konnte. Aber es mußte ja nicht für lange sein.
    An diesem Abend kündigten sie ihrer Wirtin, und vierzehn Tage später, als sie ihre Möbel und die schweren Sachen eingelagert hatten, machten sie sich nach der Halbinsel Tui und dem weißen Haus am Meer auf.
     

2
     
    Um acht Uhr verließen sie die Stadt, aber erst um drei Uhr nachmittags erreichte ihr Bus das verschlafene Städtchen Condon. Sie hatten gerade noch Zeit für eine Tasse Tee, bevor sie mit einem anderen Bus die Küste hinauffahren konnten. Es war ein herrlicher, aber für den späten September heißer Tag mit einer spiegelglatten glitzernden See.
    Jane hatte vergessen, wie schön diese Küstenstraße war, die sich zwischen Hügeln und Meer hindurchschlängelte. Katherine sagte gerade verträumt: »Kein Wunder, daß die Künstler diesen Ort lieben. Ich bin sicher, daß ich nie wieder in die langweilige alte Stadt zurückkehren werde.«
    »Wenn wir mit dem alten weißen Elefanten fertig sind, werden wir bestimmt auch froh sein«, sagte Jane pessimistisch, denn sie waren beide müde.
    Das Haus befand sich an einer Seitenstraße, die von dem Tui-Laden abbog. Dort setzte sie der Fahrer mit ihren Koffern ab und wartete offensichtlich nur darauf, sich in dieses sonderbare kleine Geschäft zu stürzen, das wohl gleichzeitig Laden und Postamt war, um dort einen Postsack abzugeben und einen anderen mitzunehmen, der auf der Theke für ihn bereitlag. Keine Spur von einem Ladenbesitzer; die Mädchen fühlten sich ziemlich hilflos, aber Katherine setzte sich friedlich auf die Stufen und sagte:
    »Ich vermute, wir warten, bis irgend jemand auftaucht und uns sagt, wie wir zu dem Haus kommen.«
    Jane war keine sehr geduldige Natur, und sie wußte, daß sie noch zwei Meilen zu Fuß gehen mußten, bevor sie das Haus erreichen würden. Ihr ganzes großes Gepäck hatten sie vorausgeschickt, aber ihre Koffer waren geräumig und schwer. Wie würden sie ans Ziel ihrer Reise gelangen? Nachdem sie mehrmals ohne Erfolg auf die Theke geklopft hatte, beschloß sie, um den Laden herumzugehen. Hier stand ein kleines Haus etwas näher am Meer. Auch hier blieb ihr Klopfen ohne Antwort, und so wanderte sie weiter, um an der Hausecke von einem großen Huhn, das ihr zwischen die Beine lief, und dann von einem Mädchen in wilder Verfolgungsjagd beinahe über den Haufen gerannt zu werden.
    »Schnell, fangen Sie es, bevor es zurückläuft«, keuchte sie.
    Noch nie in ihrem Leben hatte Jane ein Huhn gefangen, aber es gelang ihr, es am Gartenzaun in die Ecke zu treiben, und dann packte sie es heldenhaft, trotz der nach allen Seiten flatternden Federn und des aufgeregten Gegackers. »Da haben Sie es«, rief sie und warf das Huhn dem Mädchen in die Arme.
    »Oh, vielen Dank. Ich jage ihm schon ewig nach. Es versucht zu brüten, aber ich kann sein Nest nicht finden, und
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