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Zum weißen Elefanten

Zum weißen Elefanten

Titel: Zum weißen Elefanten
Autoren: Mary Scott
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er auf Philips fragenden Blick murmelnd: »Kit ist weggegangen. Mit ihrem Vater nach England. Irgendeine verdammte geschäftliche Angelegenheit. Jane scheint etwas beunruhigt darüber zu sein.«
    Philip lächelte über diese Untertreibung, nahm Jane fester in seine Arme und zeigte mit seinem Kopf zur Tür. Später dachte Tony, daß man normalerweise mit dieser Bewegung irgendeinen kleinen dummen Jungen wegschickte, aber im Moment verspürte er nur den Drang, so schnell und so weit wie möglich wegzulaufen. Philip sagte: »Bis später, Tony, und danke«, und Tony rannte zur Tür hinaus. Eine Minute später hörten sie galoppierende Hufe, und Philip lächelte noch einmal.
    Dann sagte er aufmunternd: »Komm, mein Kleines. Jetzt hast du dich ausgeweint, und meine Schulter wird feucht. Sei tapfer. Die Welt ist nicht zusammengebrochen, weißt du.«
    Aber in dem Augenblick fühlte sie, daß gerade das passiert war. Trotzdem, die Nüchternheit seiner Worte, ihr gesunder Menschenverstand und das offensichtlich nicht vorhandene Mitleid brachten sie zu sich selbst. Sie kramte nach ihrem Taschentuch und fand es.
    »Ein Glück«, bemerkte Philip. »Im Roman muß der Held immer sein eigenes hervorholen, und ich habe nur ein Ersatztaschentuch bei mir.«
    Sie gab ein leises ersticktes Lachen von sich, als sie mit abgewandtem Gesicht dastand und sich traurig die Tränen abwischte.
    »Du bist doch ein unmöglicher Mensch. Ich glaube, du hast keine feineren Gefühle.«
    »Sehr wenige. Das wird dir das Leben sehr erleichtern, wenn wir verheiratet sind. Es schwirren viel zuviele feine Gefühle herum, und sie scheinen nie sehr nützlich zu sein. Um die Wahrheit zu sagen, Jane, ich habe sehr großes Mitleid, aber es hat keinen Zweck, es auszusprechen. Ich glaube, davon hast du genug gehabt. Laß uns vernünftig reden. Ich dachte, Katherine würde noch monatelang hierbleiben. Warum ist sie so plötzlich abgereist?«
    »Weil ihr Vater nach Hause fliegen mußte, um irgendwelchen Geschäften nachzugellen.«
    »Sie hätte ihm nachreisen können. Schließlich ist sie dreiundzwanzig und doch wohl in der Lage, auf sich selbst aufzupassen.«
    »Aber sie wollte bei ihm sein. Sie wollte fliegen, und alleine wäre es schrecklich gewesen. O Philip, fang nicht wieder an, ihr Vorwürfe zu machen. Daß sie gegangen ist, hat mich nicht so fertiggemacht. Das mußte ja kommen, und vielleicht war es besser, es schnell hinter sich zu bringen. Aber daß es ihr überhaupt nichts ausgemacht hat. Es war ihr völlig gleichgültig«, und schon kamen die ersten Anzeichen für einen Rückfall.
    Philip widerstand der Versuchung zu sagen: »Natürlich nicht. Man muß ein Herz haben, damit es einem etwas ausmacht.« Statt dessen gab er sich heldenhaft Mühe, denn er war ein ehrlicher Mensch, und er sprach bedächtig: »Natürlich war es ihr nicht gleichgültig. Sie war nur aufgeregt, weil alles so schnell ging. Das würde vielen Mädchen zu Kopf steigen. Aber es macht ihr etwas aus. Sie wird dich schrecklich vermissen.« (»Möge mir diese Lüge verziehen werden«, fügte er fromm zu sich selbst hinzu.)
    Aber er hatte seinen Zweck erreicht. Jane zwang sich zu einem feuchten Lächeln und sagte leise: »Meinst du wirklich? Oh, ich bin so froh, denn du hast sie nie sehr gerne gemocht, du bist also nicht voreingenommen. O Philip, es ist schrecklich, aber ich kann mir ein Leben ohne Kit einfach nicht vorstellen.«
    »Dann mußt du das vernünftige Mädchen sein, das du normalerweise bist. Realistisch ist das moderne Wort. Es gab keinen Zweifel, daß das früher oder später kommen mußte. Du hättest dich dagegen wappnen sollen.«
    »Jetzt predigst du schon wieder. Und all diese langen Wörter. Ja, ich weiß, ich hätte mich darauf vorbereiten sollen, aber ich war so feige. Ich weiß nicht, was mit mir geschehen ist.«
    »Du bist eine ganz müde Jane, und du hast nicht geschlafen. Wenn du dich richtig erholst, ist alles wieder in Ordnung, und du wirst merken, daß es sehr geruhsam ist, mit mir verheiratet zu sein. Ab und zu ein gesunder Streit, um die Eintönigkeit zu unterbrechen.«
    »Mit dir verheiratet? Ich habe befürchtet, du würdest mich nicht noch einmal fragen.«
    Ein oder zwei Minuten lang sagte er nichts, aber Jane fand diese Stille beruhigend. Dann ließ er sie los und sagte: »Dich noch einmal fragen? Und ob ich das getan hätte, mit der Ausdauer eines gut trainierten Papageis. Und vielleicht wirst du jetzt verstehen, daß nicht Mitleid zur Beharrlichkeit
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