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Zug der Traeume

Zug der Traeume

Titel: Zug der Traeume
Autoren: Ruthie Knox
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wärst du gern?«
    »Ein Rockefeller.« Ich schlage die Augen wieder auf, um einen Blick auf sein selbstsicheres Grinsen zu erhaschen. »Wie viele Austern ich dann essen könnte!«
    »Austern sind eklig.«
    »Nö.« Sein Gesicht nimmt einen spitzbübischen Ausdruck an, wie immer, wenn er mich mit irgendetwas aufziehen will. »Sie schmecken wie eine Frau.«
    »
Du
bist eklig«, sage ich vorwurfsvoll, aber lächelnd.
    Er verstrickt seine Finger in meinen Haaren und küsst mich. Sein heißer Zungenschlag in meinem Mund wischt meine Enttäuschung über seine Antwort weg. Er hat nicht das gesagt, was ich hören wollte. Ich weiß nicht, was ich von ihm hören wollte.
    »Ein absoluter Flegel«, stimmt er zu. »Aber genau das braucht eine Frau wie du.«
    »Was für eine Art von Frau bin ich denn?«
    »Du bist ein Rennpferd. Du brauchst einen Mann, der dich so richtig zum Schwitzen bringt und anschließend ordentlich striegelt.«
    »Vielleicht solltest du das mal ausprobieren.«
    »Hier oben? Dann fallen wir garantiert runter und brechen uns den Hals.«
    Ich drehe mich zur Seite, damit ich ihn näher zu mir ziehen kann, und schlüpfe mit meiner Hand in seine Jacke, um mit meiner Handfläche das unebene Gelände über seinen Rippen zu ertasten. Er riecht nach Leder, Secondhandläden und dem Pfefferminzbonbon, das er mir angeboten hat, kurz bevor er mich hier raufgehievt hat.
    »Erzähl mir ein Geheimnis!«, sage ich kühn. »Erzähl mir etwas, das niemand weiß!«
    Ich weiß alles über ihn. Er hasst den Geruch von Lilien. Seine Großmutter ist bei einem Fabrikbrand ums Leben gekommen. Er will irgendwann mal ins Fenway-Park-Stadion.
    Das Problem ist, ich weiß nicht, was und ob überhaupt irgendwas davon die Wahrheit ist. Er ist besser darin, sein wahres Ich zu verbergen, als ich.
    Heute Nacht will ich ein Fünkchen Ehrlichkeit, um die Illusion zu durchdringen. Einen Splitter Wirklichkeit, den ich den ganzen Monat in meiner Hosentasche mit mir herumtragen kann. Ich möchte mit den Fingerspitzen darüberstreichen und dabei an ihn denken können.
    Er dreht mich auf den Rücken und starrt auf mein Gesicht herab. Seine Augen scheinen zu flackern, während er meine Lippen betrachtet, meine Stirn, mein Kinn. Ein Finger folgt der Linie meines Brustbeins, und er sagt: »Niemand außer mir weiß, wie du hier oben im Mondschein aussiehst.«
    Hübsche Worte. Und in seinem Ausdruck liegt eine Zärtlichkeit, von der ich nicht glaube, dass sie gespielt ist. Ich fühle mich wertvoll und fragil – eine seltene Erfahrung, wenn man bedenkt, dass ich die meiste Zeit damit verbringe, mit Essen vollgeschmiert und von einem ungestümen Kleinkind beklettert zu werden.
    Andererseits scheint hier kein Mond.
    Er küsst mich so sanft, dass ich denke, ich könnte zerbrechen, dann legt er sich wieder hin und bettet meinen Kopf in der Kuhle seiner Schulter. Er streichelt meinen Arm und summt mir eine Melodie ins Ohr, die ich nicht erkenne. Ich kann mir vorstellen, wie sie aus einem Grammofon erklingt und sich wie eine Decke aus weißem Rauschen und dem elektrostatischen Knacken der Aufnahme über uns legt.
    Immer lügen wir uns gegenseitig nur etwas vor. Blöd, wie ich bin, hatte ich gehofft, dass er mir jetzt die Wahrheit sagt.
    Wir haben uns im Internet kennengelernt, wo sonst?
    Lisa, die einen Partner fürs Leben sucht, hatte mir weisgemacht, dass Onlinepartnerbörsen sinnvoll seien. Ich schiebe es auf den Schlafentzug. Josh war zu dem Zeitpunkt vier Monate alt, und seit ich ihn bei mir aufgenommen hatte, hatte ich keine Nacht mehr durchgeschlafen.
    Ich bewegte mich durch den Tag wie in einem Dunstschleier und war voll auf Kaffee, um nicht jedes Mal einzunicken, sobald es länger als zwanzig Sekunden still war. Auf meinem Profilbild sah ich aus wie ein Zombie, aber der Algorithmus, auf dem die Partnerbörse basierte, schlug mir immer wieder hirnlose Männer vor. Nach drei glücklosen und peinlichen Dates versuchte ich es damit, selbst die Profile durchzusuchen.
    Und da habe ich ihn gefunden. Viscount Curzon. Auf seinem Profilbild trug er Krawatte und Monokel.
    In einem anderen Profil war er Benjamin Piatt Runkle, ein Bürgerkriegssoldat. Unter
Worauf ich stolz bin
hatte er geschrieben:
    Ich habe die Schlacht von Shiloh überlebt.
    Sein Foto hatte eine Sepiatönung wie eine Daguerreotypie.
    Beim dritten Profil, von Frank Sinatra jr., musste ich laut lachen.
    Was ich nicht mag: im Schatten meines Vaters zu leben. Was ich mag: leichte Mädchen.
    Insgesamt
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