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Zug der Traeume

Zug der Traeume

Titel: Zug der Traeume
Autoren: Ruthie Knox
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uns steht. Ein Fremder namens Tyler, der Jeans und ein rotes Westernhemd mit weißen Biesen trägt und dessen sandfarbenes Haar sich im Nacken kringelt.
    Natürlich erkenne ich ihn, noch bevor er sich umdreht. Ich erkenne ihn sofort.
    Am Ellenbogen führt Jon ihn zu mir, stellt uns vor und verschwindet dann in Richtung Theke. Ich würde ihn der Kuppelei verdächtigen, aber so sozialkompetent ist Jon nicht. Ich denke, er hat uns beide aus rein beruflicher Notwendigkeit zusammengeworfen.
    Tyler ist Fotoarchivar im Eisenbahnmuseum. Ich bin die neuste Amerikanistin an der Universität, Spezialistin für Geschichte, Literatur und Kultur der USA . In einer so kleinen Stadt wie Green Bay sollten wir uns untereinander kennen. Tyler ist mein Fachkollege.
    Er ist mein Liebhaber.
    Er tut, als würde er mich nicht kennen.
    »Und? Wie gefällt es Ihnen in Green Bay?«, fragt er.
    »Ganz gut«, sage ich. »Ich bin in Oregon aufgewachsen, das ist schon ein ziemlicher Unterschied.«
    »Haben Sie da draußen auch studiert?«
    Er hat ein Glas Bier in der Hand und schenkt mir die der Situation absolut angemessene Portion höflicher Aufmerksamkeit. Steht so nah bei mir, dass wir uns bequem unterhalten können, aber nicht so nah, dass es ungehörig wäre. Er ist sehr geschickt darin. Entweder das oder er erkennt mich gar nicht – ein schrecklicher Gedanke.
    »Nein, in North Carolina. An der NC State.«
    »Ach ja? In den Südstaaten war ich noch nie. Hat es Ihnen gefallen?«
    »Ja, es war toll. Da unten gibt es einen richtigen Frühling. Mit blühenden Bäumen und so. Es ist wunderschön.«
    Er lächelt, und es kommt mir so vor, als hätte ich ihn noch nie lächeln sehen. Ich bin eine ganz normale Frau, die auf einer Party einen gut aussehenden Mann kennenlernt. Ich bestehe nur aus rauschendem Blut und unangenehmer Transpiration. Meine Konversationsfähigkeit ist stark durch die Beobachtung beeinträchtigt, wie weiß seine Zähne sind und wie seine Jeans seine Oberschenkel umschmeichelt.
    Ich will, dass er mich mag. Ich bewundere die Perlmuttdruckknöpfe an seinem Hemd, das
bestimmt
original ist, und ich will, dass er mich zu einem Date einlädt.
    »Was ist mit Ihnen? Sind Sie von hier?«, frage ich.
    »Ja, ich bin hier aufgewachsen.«
    »Was hat Sie zur Geschichte geführt?«
    Er zuckt mit den Schultern. »Ich mochte sie schon immer. Schien gut zu mir zu passen. Auf dem College hab ich für ein Semester ein Praktikum im Heritage Park gemacht und konnte dem Reiz von Unterbezahlung und dem nicht vorhandenen Respekt für Museumsarbeit einfach nicht widerstehen.«
    »Ging mir genauso. Als ich nach all den Schulden nach dem Studium von dem überaus üppigen Anfangsgehalt erfahren habe, hab ich nur noch gefragt: ›Wo soll ich unterschreiben?‹«
    Ich schenke ihm ein halbes Lächeln, streiche mir das Haar hinters Ohr und hoffe, dass er mich hübsch findet. Ich trage hohe braune Stiefel und enge, dunkle Jeans, einen cremefarbenen Pullover, ein Halstuch. Ich sehe aus wie eine Collegedozentin auf einer Fakultätsfeier, er wie ein echt heißer Fotoarchivar, der nebenbei als Hilfscowboy jobbt.
    Ich habe das Gefühl, wir tragen auch nur wieder eine Verkleidung, verlockend und neu, bis Soo Yun hinter ihm auftaucht und sich bei ihm unterhakt. Soo Yun, die Physik unterrichtet, perfekte Haut und keine Kinder hat. Soo Yun, die sich auf die Zehenspitzen stellt und ihm etwas ins Ohr flüstert.
    Er grinst, und das Grinsen gilt nicht mir, sondern ihr.
    Er streckt die Hand aus. »Wir müssen gehen. Es war schön, Sie kennenzulernen.«
    Das leichte Kratzen seiner Schwielen auf meiner Handfläche lässt mich feucht werden, das ist der Mist an der Pawlow’schen Verhaltenslehre.
    Ich konnte ihn besser leiden, als ich nicht wusste, wie er heißt.
    Das Erste, was Lisa sagt, als ich ihr die Tür öffne, ist: »Er betrügt dich nicht mit Soo Yun.« Sie ist hocherfreut über die Nachricht, glücklich wie ein Heinzelmännchen beim Sockenstopfen.
    »Wie sollte er mich auch betrügen? Ich bin ja nicht seine Freundin.«
    Sie schiebt mich in meine Wohnung und knöpft sich den Mantel auf. Nachdem sie ihn unfeierlich auf den Boden fallen gelassen hat, geht sie in die Hocke, um Josh zu begrüßen, der in den Flur gestolpert gekommen ist mit Schlagseite wie ein Betrunkener.
    »Wie geht’s meinem Kleinen?«, fragt sie ihn.
    »Iiies!« Das, was bei ihm »Lisa« am nächsten kommt. Er will sich auf ihre Kreolenohrringe stürzen, doch sie hindert ihn daran.
    »Halt dich an die
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