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Zug der Traeume

Zug der Traeume

Titel: Zug der Traeume
Autoren: Ruthie Knox
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Angst vor ihm. Ich war Florence aus Pottsville, Pennsylvania, die den Samstagzug nimmt, um ihre kranke Schwester in Harrisburg zu besuchen. Wenn ich Schmetterlinge im Bauch hatte, dann nur, weil ich das Reisen nicht gewohnt war und weil ich normalerweise keine Gelegenheit hatte, so adretten Männern zu begegnen.
    Sein Name war Philip. Er führte mich die Treppe hinauf in den Speisewagen, wo es ruhiger war, und lud mich zu Kaffee und Kuchen ein.
    Mit ihm zu sprechen war eine unglaubliche Erleichterung. Eine geklaute Stunde lang war ich jemand anders. Wir tauschten Geschichten aus. Erzählten einander Witze. Lachten viel.
    Als wir den Kaffee, den es gar nicht gab, getrunken hatten, begleitete er mich wieder an meinen Platz, und seine Hand ruhte ganz unten an meinem Rücken. Ich hätte ihm einen Kuss zum Abschied gestattet, aber er versuchte es nicht.
    Er wartete noch zwei Monate, bis er mich küsste.
    In den Tagen zwischen unseren Treffen denke ich über ihn nach. Ich überlege mir, was ich anziehen werde, wenn ich ihn wiedersehe, wer ich sein werde. Die Vorfreude ist so süß, dass ich mich manchmal frage, ob ich irgendwann davon schlechte Zähne kriege und mir den Magen verderbe, und das war’s dann.
    Wir hatten neun Verabredungen in neun Monaten.
    Erst beim fünften Date habe ich mit ihm geschlafen, und vielleicht hätte ich es nicht getan, wenn nicht Krieg gewesen und mein Schatz nicht im Eastern Theater gefallen wäre. Ich hatte beschlossen, keine Gelegenheiten mehr zu verschenken. Als er mich in der Kabine von General Eisenhowers Zug küsste, zog ich ihn am Jackenaufschlag zu Boden und bat ihn, es mich vergessen zu machen.
    In jener Nacht fuhr ich danach noch eine Stunde ziellos im Kreis herum, eine Endlosschleife auf der Interstate. Immer wieder berührte ich meine Lippen mit den Fingern und konnte an nichts anderes denken als daran, wie er sich in mir angefühlt hatte.
    Ich frage mich, ob er sich an anderen Abenden mit anderen Frauen trifft. Sucht sein Donnerstagsmädchen so lange wie ich nach einem Lippenstift, bis sie genau den richtigen Rotton gefunden hat? Durchkämmt sie das Internet auf der Suche nach Unterwäsche, die in das Jahr 1944 passt?
    Möglich wäre es. Neun Monate seit unserem ersten Treffen, und er hat die verschiedenen Profile bei der Partnerbörse noch immer nicht gelöscht.
    Manchmal denke ich, dass er der Leiter des Eisenbahnmuseums sein muss, doch er hat Arbeiterhände. Wahrscheinlich ist er der Hausmeister.
    Ich weigere mich, es herauszufinden. Ich bin Wissenschaftlerin, Recherche ist eine meiner leichtesten Übungen.
    Aber ich will nicht.
    Stattdessen pendle ich die fünfzehn Kilometer zwischen meiner Wohnung und dem Campus hin und her und schaue in jedes Auto, das mir begegnet, um herauszufinden, ob er hinter dem Steuer sitzt. Er fährt einen Jetta, denke ich. Einen Pick-up. Einen SUV . Einen Oldtimer.
    Er hat mir neun verschiedene Versionen seiner Lebensgeschichte erzählt. An einem Abend war er ein Futterhändler, der die Meeresluft liebt. An einem anderen ein Farmerssohn aus Nebraska, der sich im College durchgebissen hat. Er ist Einzelkind, singt einen passablen Tenor, liebt Höhen. Ihn erwartet eine gute Pension. Er ist Philip, Dexter, Rocky, Charlie, Slim.
    Ich kenne sein Haar, das sich in seinem Nacken kringelt. Ich kenne seinen Körper, die Art, wie er sich bewegt und wie eine Anzugsjacke über seinen Schultern hängt.
    Wenn er sich in mir bewegt, glaube ich zu wissen, was in seinem Herzen vorgeht. Aber nachdem ich das Museum verlassen habe, fällt mir wieder ein, dass alles nur ein Spiel ist. Er ist ein Fremder. Er ist niemand.

3
    »Kennst du Tyler Janssen schon? Er ist mit Soo Yun hier.«
    Ich brauche einen Moment, um das Gespräch einzuholen. Ich bin auf einer Party der Uni, unterhalte mich mit meinem Dekan, Jon, und es ist mir zu laut, um mich zu konzentrieren. Alles voller Menschen und um Stahlträger gewickelte, weiß blinkende Lichter.
    Die Restaurantbrauerei ist für ihre hervorragende Küche und kreativen Cocktails bekannt, aber mir gefällt es hier nicht. Wände und Boden sind aus Beton und erinnern an einen Kühlraum für Fleisch. Und mit der Klimaanlage fühlt es sich auch so an. Die Decken sind zu hoch. Die Stimmen zu zahlreich.
    »Hmm? Nein, ich glaube nicht.«
    »Er arbeitet im Eisenbahnmuseum. Ich glaube, du wirst ihn mögen. Ich stelle euch einander vor, ja?«
    Ehe ich antworten kann, geht Jon auch schon schnurstracks auf einen Mann zu, der mit dem Rücken zu
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