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Zu Staub Und Asche

Zu Staub Und Asche

Titel: Zu Staub Und Asche
Autoren: Martin Edwards
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hochschreckte, lauschte er dem Ruf der Eulen, dem Flattern von Fledermausflügeln und dem Trippeln der Wasserratten. An diesem Abend jedoch war von alldem nichts zu hören: Das unbarmherzige Knistern der Flammen erstickte jedes andere Geräusch. Auf dem See war kein Schiff, am Ufer brannte kein Licht. Dieser Teil von Ullswater war im Winter menschenleer. Er hatte diesen Ort seiner Ruhe wegen ausgewählt: eine Zuflucht, wo er dem Trubel entkommen konnte. Und jetzt waren er und das Feuer allein mit der Nacht.
    Holz knackte und krachte wie Gewehrschüsse. Das Glas in den Fenstern zersprang. Die Regale begannen nachzugeben. Ein Dachbalken polterte zu Boden. Das wilde Tier hatte Saffells Bootshaus besiegt. Bald würde das Dach einstürzen.
    Die Regale bröckelten. Saffells Bücher waren bereits bis zur Unkenntlichkeit verkohlt und verbrannt. Er spürte Feuchtigkeit zwischen seinen Beinen. Warme Nässe sickerte an seinen Schenkeln hinunter. Der Rauch verursachte ihm Hustenreiz. Seine Kehle füllte sich mit Schleim. Er begann zu würgen. Flammen fraßen sich in den türkischen Kelim, der zwischen den Ledersesseln lag, und leckten in seine Richtung. Das wilde Tier war verwirrt und auf Zerstörung aus.
    Die Hitze ließ seine Lippen aufplatzen. Nicht mehr lange, und sie würde sein Haar versengen und die Tränen trocknen. Und dann würde das Feuer sich in ihn und er sich in Feuer verwandeln.
    Vor Schmerzen fürchtete er sich am meisten. Er durfte seinen Blick nicht von den Büchern wenden und musste seinen Kopf von jedem anderen Gedanken als dem an die Zerstörung seines Lebenswerkes befreien.
    Aber es gelang ihm nicht. Sein Gehirn gehorchte ihm nicht, und er verfiel in Panik. Grauen drang zwischen seine Rippen wie ein Messer, zerschnitt sein Fleisch und senkte sich in das weiche Gewebe darunter. Angst brach seinen Körper auf und weidete ihn aus.
    Es war eine überwältigende Furcht vor der kommenden Qual. Immerhin war er nichts anderes als ein Bücherwurm, ein selbst ernannter Feigling, der nichts mehr fürchtete als den Schmerz. Er kannte nur noch eine Gewissheit: den Tod. Eine Rettung in letzter Minute würde es nicht geben. Es gab keine Hoffnung mehr auf Erlösung und keinen Glauben daran, dass es ein leichter Tod werden würde.
    Eine Flamme leckte an seiner nackten Fußsohle und biss dann in sein Fleisch. Saffell schrie auf und bettelte um ein rasches Ende. Doch es war zu spät, zu einem Gott zu beten, an den er nie geglaubt hatte. Erst jetzt verstand er, dass der Teufel eine Realität war und nicht etwa die Form eines Menschen, sondern die von Feuer annahm.
    Eines grausamen, sadistischen Feuers.
    Und er ließ sich Zeit. Das Grausamste aber war, dass Saffell nie erfuhr, wer ihm und seinen Büchern diese Qualen angetan hatte.
    Oder warum.

Kapitel Zwei
    »Silvester.« Marc Amos wirbelte mit dem Küchen-Barhocker herum. In seinen Augen lag ein verträumter Ausdruck. »Ein neues Haus. Ein Neubeginn.«
    Hannah Scarlett löffelte Kaffee in einen Papierfilter und lächelte ihn zaghaft an. Sie würde ihm jetzt sicher keine kalte Dusche verpassen. Immerhin schien sich eine Verbesserung der Lage anzubahnen: Sie hatten Weihnachten ohne einen einzigen Streit hinter sich gebracht. Sieben geradezu klaustrophobische Tage in engster Gemeinschaft mit Marcs Familie schienen für sie, wenn schon nicht für die anderen, die perfekte Paartherapie gewesen zu sein. Gott sei Dank musste sie nicht mit Marcs redseliger Schwester zusammenleben, ganz zu schweigen von der ständig Unsinn faselnden Mutter, dem rugbyverrückten Schwager und den ungezogenen Neffen und Nichten. Wäre sie noch ein wenig länger den merkwürdigen Feiertags-Fernsehgepflogenheiten dieser Familie ausgesetzt gewesen, würde sie keine Mordfälle mehr untersuchen, sondern selbst Morde begehen.
    Die Tränen und Streitereien von vier Kindern zwischen neun und neunzehn hatten eventuelle Mutterinstinkte für die nächste Zeit im Keim erstickt. Vielleicht hatte Marc es genau darauf angelegt, als er sie überzeugte, an dem Familientreffen teilzunehmen. Nach dem ständigen Lärm in Gayle und Billys überbevölkerter Doppelhaushälfte in Manchester erschien ihr das weitläufige alte Haus am Ortsrand von Ambleside nun fast wie ein Sanktuarium. Sie waren erst vor drei Monaten eingezogen, und es war noch so viel zu renovieren, dass Hannah während der Feiertage eigentlich lieber zu Hause geblieben wäre. Zwar hatte sie eine Schwäche für Familien, Marcs Sippe allerdings bildete die
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