Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zornesblind

Zornesblind

Titel: Zornesblind
Autoren: Sean Slater
Vom Netzwerk:
Moment durch seine ganz persönliche Hölle gegangen; aber mit der Zeit – er hatte sich das Video Hunderte Male angesehen – hatte die Natter die Wahrheit erkannt, die sich in jenem Moment herauskristallisierte. Die Realität. Das einzig wirklich Wichtige.
    Der Tod – er war der einzige Grund zu leben.
    William war von den Ketten dieser kalten Welt befreit, von dieser Hölle erlöst worden. Und endlich total frei.
    Die Natter verfolgte mit Tränen in den Augen, wie die Feuerwehrleute seinen jüngeren Stiefbruder aus dem See zogen. Der kleine Körper schlaff und nass, seine Haut weiß wie die eines Engels. Sein Blut und sein Fleisch waren kalt wie das Eis, aber seine Seele schwebte, schwebte, schwebte weit weg von hier.
    »Du bist frei«, wisperte die Natter. »Flieg davon, kleiner Vogel. Flieg davon.«
    Das Video endete, und eine plötzliche Helligkeit blendete die Natter.
    Er hob die Hände. Fixierte die Tür. Und wusste, was los war, noch bevor seine Augen sich an das Licht gewöhnten.
    Der Doktor hatte ihn gefunden.

93
    Von dort, wo das Ermittlerteam den Wagen geparkt hatte, dauerte die Fahrt ins Whistler Blackcomb Skiresort noch knapp zwanzig Minuten. Strikers Gedanken kreisten um Lexa und Larisa. Was, wenn beide hier in dem Skigebiet waren?
    Unwahrscheinlich. Trotzdem war es möglich.
    Eine Frau mit dunklen Augen, hatte Larisa gemailt.
    Je länger er darüber nachdachte, desto größer wurden seine Bedenken, dass Lexa ihnen zuvorkommen könnte. Die Frau hatte ein ebenso großes Interesse daran, Larisa zu finden, wie er. Es war ein Wettlauf mit der Zeit. Und davor grauste dem Detective.
    Lexa war spezialisiert darauf, ihre Opfer zu finden.
    Das machte ihm große Sorgen.
    Striker überflog seine Notizen. Lexas Opfer fielen in zwei Kategorien. Es waren Randexistenzen – Prostituierte, psychisch Kranke, arme, einsame und alleinstehende Menschen.
    Oder es waren auffallend gut Situierte, Opfer, die gute Jobs hatten. Opfer, die Geld hatten und einen hohen Kreditrahmen. Opfer, die gezielt unter dem Aspekt ausgesucht worden waren, dass sie keine Angehörigen hatten. Keine Freunde. Menschen, deren ganzer Lebensinhalt der Job war. Menschen, die niemand vermisste, wenn sie verschwanden oder aus heiterem Himmel das Zeitliche segneten.
    Striker nahm den Karton vom Rücksitz und stellte ihn Felicia auf den Schoß.
    »Ich hab die Akten alle durch«, meinte sie.
    »Schau sie dir nochmal an, und check sie dieses Mal nach Opfern, die Status hatten.«
    »Status? Weswegen?«
    »Weil Status Geld bedeutet. Wenn du die zehn oder fünfzehn mit den höchsten Einkommen zusammen hast, gleichst du die Namen mit dem Grundbuchregister von Whistler und Blackcomb ab. Vielleicht hatte der eine oder andere da Grundbesitz.«
    Felicias Augen blitzten. »Einer in den Unterlagen war jedenfalls Arzt«, räumte sie ein. »Und einer war Anwalt.« Sie öffnete den Karton und vertiefte sich in die Unterlagen.
    Striker fuhr zurück auf den Highway und nördlich in Richtung der beiden Orte. Zehn Minuten später hatte Felicia eine Aufstellung mit den zwölf bestverdienenden Opfern fertig. Sie telefonierte mit ihrem Kontakt beim Grundbuchamt und machte sich eifrig Notizen. Als Striker in den Skiort bog, der vom gleißenden Flutlicht der umliegenden Pisten erhellt wurde, hatte seine Kollegin bereits die Liste der Zielpersonen eingegrenzt.
    »Es kommen drei infrage«, sagte sie. »Vier, wenn du den Anwalt mitrechnest, der ein Haus in Furry Creek hatte.«
    Furry Creek. Scheiße, den Furry Creek Golf Course hatten sie vor über einer halben Stunde passiert. »Was ist mit den anderen drei?«
    »Stehen alle hier drauf.« Felicia wedelte mit einem Blatt Papier.
    »Ein Typ namens Robinson – er war Broker – hatte ein Haus in den Bergen. In Whistler Creekside auf der Nordic Avenue. Der Zweite, ein Mr. Bellevue – aus einer alten Familie mit richtig viel Schotter –, wohnte am Panorama Trail. Der Dritte heißt Sutton. Er lebte in einer begehrten Ortsrandlage.«
    Sie nahm ihr iPhone und öffnete Google Maps. »Wird langsam Zeit, dass unsere Fahrzeuge mit Satellitennavigation ausgestattet werden«, krittelte sie.
    »Woher nehmen, wenn nicht stehlen«, gab Striker zurück. »Komm, starte deine Suchanfrage.«
    »Welchen zuerst?«
    »Der, der am nächsten ist. Und beeil dich. Wir sind gleich da.«

94
    »Ich wusste es!«
    Der Doktor baute sich vor der Natter auf und funkelte ihn an, wieder fiel die Maske und enthüllte das Monster, das sich dahinter versteckte.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher