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ZITRONENLIMONADE (German Edition)

ZITRONENLIMONADE (German Edition)

Titel: ZITRONENLIMONADE (German Edition)
Autoren: Marleen Reichenberg
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was bildete
der sich ein? Sollte er doch im Selbstversuch eine ordentliche Portion „Lani“
schlucken und dann mal abwarten, wie minimal die Nebenwirkungen sein würden!
    Wild klimperte ich mit den Augenlidern,
um meine Wut zu zeigen. Ich bin sehr wohl ansprechbar, versuch´s doch einfach
mal, du Depp!
    Aber der dämliche Grünschnabel behielt
die Oberhand.
    „Sie hat starke Schmerzen, das sieht
man doch an ihren Augenlidern. Sie ist unruhig und desorientiert. Schnell, Schwester,
die Spritze!“ Selina war machtlos und keine Minute später bekam ich   eine Ladung, die meine Halluzinationen für den
Rest der Nacht wieder stärker werden ließ. Herzlichen Dank auch, Edgar Grünschnabel,
giftete ich unhörbar, als ich Goofy fröhlich auf meinem Bettgalgen herumtanzen
sah.
    Ein schlagender Beweis dafür, dass
medizinisches Fachwissen eines Arztes allein den Patienten nicht immer zum
Vorteil gereicht. Einfühlungsvermögen ist mindestens genauso wichtig, aber das
wird wohl im Medizinstudium nicht ausdrücklich vermittelt. Wäre aber bei
solchen wie dem Grünschnabel vermutlich auch zwecklos. Der will gar nicht wissen,
wie sich andere fühlen, Hauptsache, seinem Ego geht es gut.

Kapitel Drei
     
    Meine Wachphasen wurden mit der Zeit
länger. Dann lag ich mit offenen Augen da und starrte die Zimmerdecke (und die
gigantischen Spinnweben dort) an. Wenn es mir zu viel wurde, schloss ich
die   Augen, bekam aber im Lauf der Zeit zumindest
akustisch immer mehr von dem, was um mich herum passierte, mit. Das
Pflegepersonal reagierte sehr unterschiedlich. Während die Ärzte fast alle
direkt mit mir sprachen - bis auf meinen „grünen Freund“ – waren auch   bei den Schwestern einige dabei, die über
meinen Kopf hinweg ungeniert mit den Kolleginnen über mich redeten, als ob ich
gar nicht anwesend wäre.
     
    „So jung und schon so behindert“,
äußerte eine in bedauerndem aber falsch klingendem Tonfall mit einer schrillen
Stimme, als sie zu zweit mein Bett frisch machten. Ich registrierte ihren
extrem schwäbischen Dialekt (Baden-Württemberg: Wir können alles außer
Hochdeutsch!), der bei mir eigentlich Heimatgefühle hätte hervorrufen sollen,
bei ihr aber einfach nur ordinär klang. Zudem verströmte sie bei jeder ihrer
Bewegungen einen durchdringenden Schweißgeruch. Außer Hochdeutsch schien ihr
die regelmäßige Benutzung ihrer Dusche sowie die Anwendung eines Deodorants
ebenfalls fremd zu sein.
    „Ob die jemals wieder laufen und normal
sein kann?“ Ich sprang ihr innerlich ins Gesicht. Blöde Kuh! Ob die jemals mit
Intelligenz gesegnet sein würde? Erleichtert hörte ich die Erwiderung des
jungen Pflegers, der ihr gerade half, unter mir ein frisches Laken aufzuziehen.
    „Sie ist noch jung, da kann viel wieder
heilen.“ Begierig lauschte ich, als er von einem anderen Patienten erzählte,
der mit achtundzwanzig Jahren einen Schlaganfall hatte, schwer behindert
gewesen war und jetzt wieder voll am normalen Leben teil nahm, Auto fuhr und
sogar wieder Fußball spielte. Ich   hätte
den Mann – den Pfleger meine ich – für die Geschichte küssen können! Aber seine
Kollegin blieb skeptisch.
    „ Ich weiß ja nicht. Kurz nach der OP konnten
wir ja nicht mal sagen, ob sie durch kommt, so schlecht war sie beieinander. So
wie die daliegt, bezweifle ich, dass sie je wieder ein normales Leben führen
kann. Ist ja nicht mal klar, ob sie überhaupt was mitkriegt! Die ist ja nur
noch Haut und Knochen!“   (Das Ganze klang
bei ihr völlig anders, sie sagte z.B. „I weis ja ned“ oder „ sowia dia doliggt“
. Aber wie gesagt, da ich gebürtige Württembergerin bin, konnte ich ihrem
vergewaltigten Hochdeutsch durchaus folgen).
    Hallo? Wie war die denn drauf? Die
ständigen Gesundheitsreformen schienen   ungewollte Auswirkungen dahingehend zu haben, dass sie jetzt schon
geistig Minderbemittelte auf wehrlose Patienten los ließen. Vermutlich sind die
billiger zu haben als ausgebildetes Fachpersonal, sinnierte ich wütend vor mich
hin und war zum abertausendsten Male total frustriert darüber, dass hier keiner
meine Schlagfertigkeit und meine sarkastischen Bemerkungen hören, geschweige
denn würdigen konnte.
      Aber wieder gab ihr der Kollege, der ihr trotz
seiner offensichtlich berlinerischen Abstammung, die man durch sein Hochdeutsch
hindurch erahnte, folgen konnte, kräftig Kontra. Langsam hatte ich das Gefühl,
dass er und ich ungefähr dieselbe Menge an Sympathie für die Schwester
aufbrachten: Ich hörte
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