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ZITRONENLIMONADE (German Edition)

ZITRONENLIMONADE (German Edition)

Titel: ZITRONENLIMONADE (German Edition)
Autoren: Marleen Reichenberg
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  geschmeidigen Bewegungen einer Raubkatze auf
mein Bett zukam, die langen mahagoniglänzenden Haare in einem Pferdeschwanz
zusammengefasst und mich mit ihren grünen Augen forschend betrachtete, war ich
fasziniert.   Meiner Ansicht nach hätte
sie sich ihren Lebensunterhalt leicht mit Modeln verdienen können, schien aber
in ihrer besonnenen selbstsicheren Art zufrieden damit zu sein, Patienten
wieder zu mehr Beweglichkeit zu verhelfen.
      Von Anfang an beschäftigte sie sich
hingebungsvoll   mit meiner rechten immer noch
weitgehend gelähmten Seite, massierte, dehnte, streckte die Muskulatur und übte
Bewegungen mit mir. Lediglich mit den Fingerspitzen der Hand konnte ich ganz
leicht hin- und her wackeln, wenn ich mich sehr anstrengte. Karina erklärte
mir: „Das ist ein prima Zeichen und zeigt, dass da noch wesentlich mehr an
Beweglichkeit für die Hand und den Arm raus zu holen ist."  
    Besorgt erkundigte ich mich flüsternd
und stockend nach dem Wahrheitsgehalt der Aussage des Grünschnabels, dass sich
kaputte Gehirnzellen nicht mehr regenerieren können.
      "Sie können das tatsächlich nicht, aber
unser Körper ist intelligenter, als wir glauben. Unser Gehirn kann,
vorausgesetzt, man fängt früh genug zu üben an, neue Nervenverbindungen
knüpfen, die dann die verloren gegangenen Funktionen übernehmen!" ermutigte
sie mich.
    Mit einer Engelsgeduld bewegte sie
immer wieder meinen Arm und forderte mich auf:
    " Bitte machen Sie in Gedanken
jede Bewegung mit, die ich Ihnen ansage. Das ist wichtig, damit sich die
Nervenverbindungen wieder neu bilden und die Lähmung zurückgeht. Und jetzt: Arm
hochheben und wieder langsam absenken, Hand zur Faust ballen, wieder
lockern......" Sie unterstützte sanft meinen rechten Arm, während mir vor Anstrengung
und Konzentration der Schweiß ausbrach. Es war nicht zu fassen, aber ohne Karinas
Hilfe hätte ich diesen verdammten unbeweglichen Körperteil nicht mal einen
Zentimeter von der Bettdecke hochbekommen und "Faust" machen sah so
aus, dass sich mit Ach und Krach die Fingerspitzen ganz leicht nach innen krümmten.
      Manchmal ging es auch gar nicht, aber Karina
blieb im Gegensatz zu   mir stets
gelassen:
      " Macht nichts, Frau Salten. Wichtig ist,
dass Sie sich die Bewegung bildlich vorstellen und in Gedanken mitmachen.   Irgendwann funktioniert es dann auch in
Wirklichkeit!"
    An meinem rechten Bein tat sich von der
Hüfte abwärts überhaupt nichts. Immer wieder forderten mich die Ärzte auf, mit
den Zehen zu wackeln oder fuhren mir mit einem spitzen Instrument über die
Fußsohle. Keine Chance, ich war damit zu keiner Bewegung fähig und spürte
nichts. Stieß ich mit meinem linken Bein dagegen oder fasste bewusst hin,
erschrak ich immer, denn es fühlte sich für mich an, als ob jemand Fremder neben
mir liegen würde…
    Einerseits war ich froh über die
Abwechslung, andererseits immer völlig frustriert, wenn Karina gegangen war.
War es tatsächlich möglich, dass ich mich nicht einmal im Bett aufsetzen oder
wenigstens selbstständig nach oben rutschen konnte?
    Ich konnte lediglich das Kopfteil
meines vollautomatischen Bettes etwas nach oben fahren, damit mein Oberkörper
leicht erhöht lag. Aber nur ein kleines bisschen zu viel, und schon spielten
mein Kreislauf und mein Gleichgewicht völlig verrückt. Mir wurde übel und alles
in meinem Kopf drehte sich, bis ich nicht mehr wusste, wo oben und unten war. Und
selbst wenn ich nur ganz leicht erhöht dalag, rutschte mein Körper mit der Zeit
von selbst in Richtung Fußende. Irgendwann kam dann eine Schwester rein und
kommentierte:
      "Oh, Sie sind schon wieder ganz
unten!"   (Wie wahr, genauso fühlte
ich mich die meiste Zeit hier).Sie holte eine Kollegin oder einen Pfleger, dann
packten sie mich zu zweit unter den Achseln und hievten mich wieder auf mein
Kopfkissen hoch. Wie ein Mehlsack behandelt zu werden erhöhte mein ohnehin
gerade schwaches Selbstbewusstsein auch nicht unbedingt.
     
    Ebenso wenig wie das erneute
gedankenlose Geschwätz zweier Schwestern, die mich eines Abends fürs Schlafen
fertig machten und mich dazu wie immer lagern mussten. Unter meine gelähmten
Körperteile kamen diverse Kissen, die Druckstellen und Wundliegen verhindern sollten.
Sie verrichteten ihre Arbeit routiniert und redeten währenddessen betont munter
mit mir.
    „ So, Frau Salten, jetzt haben wir es
wieder bequemer“, sagte die ältere der beiden. Was hieß hier „wir“? Sie lag
doch gar nicht bei mir im Bett?
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