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ZITRONENLIMONADE (German Edition)

ZITRONENLIMONADE (German Edition)

Titel: ZITRONENLIMONADE (German Edition)
Autoren: Marleen Reichenberg
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Schwester mein
Bett machte und sich dabei wie schon erwähnt mit ihrer Kollegin unterhielt,
ohne mich auch nur einmal bewusst wahr zu nehmen. Ungeniert zogen sie sie über
ihre Freunde und Ehemänner her, deren Freizeitgestaltung, Essgewohnheiten sowie
ihren sexuellen Vorlieben und Qualitäten. Da taten sich intime Abgründe auf,
pfui Teufel! Jetzt wusste ich endlich, wie es sich anfühlte, unsichtbar zu sein!    
    Zur Ehrenrettung des medizinischen
Personals musste ich sagen, dass sich die allermeisten sehr kompetent und
einfühlsam verhielten. Gerade dadurch fiel aber Inkompetenz doppelt auf.
Schwester Agnes war in dieser Kategorie einsame Spitzenreiterin. Es schien,
dass die Bemerkung ihres netten Kollegen über mein Aussehen irgendwelche
Aversionen gegen mich in ihr hervorgerufen hatte. Bei ihren Arbeitsschichten
war ich schon jedes Mal auf den nächsten Flop gespannt, den sie sich leistete,
hatte aber gleichzeitig regelrecht Schiss vor ihr.
    Ich versuchte, nicht daran zu denken,
wie schnell man jemanden, auch aus Versehen oder Unachtsamkeit, umbringen kann   (auch das ein fundiertes Wissen aus diversen
Folgen von Emergency Room).
      Seit
ich hier lag, war ich schon zweimal kurz vor dem Ersticken gewesen, da ich Tee
aus einer Schnabeltasse trank, allerdings im Liegen, weil mir Sitzen unmöglich
war. Bei meinem gierigen Hinunterschlucken des faden Teegetränks gelangte
Flüssigkeit in die Luftröhre; anders ausgedrückt, ich hatte mich einfach
verschluckt und wenn nicht beide Male auf mein verzweifeltes Klingeln hin eine
Schwester – natürlich nicht Agnes, die kriegte ihren Hintern nicht schnell
genug   hoch -   in mein Zimmer gestürmt wäre und mir schnell
den Kopf hoch gehoben hätte, wäre es mit mir aus gewesen. Glücklicherweise
achteten alle darauf, dass sich die Klingel immer griffbereit in der Nähe
meiner linken Hand befand.
     
    Alle? Bis auf Agnes. Sie schien ihren
Job zu hassen, jedenfalls benahm sie sich bei in allem, was sie tat, grob,
lieblos und völlig auf sich selbst fixiert. Ihre Ernährung bestand, zumindest
dem Geruch nach, den sie verströmte, aus Zigaretten und Tütensuppe. Ich
schätzte sie auf Anfang Vierzig.
    Sie hatte ein fahles längliches Pferdegesicht
mit griesgrämig nach unten gezogenen Mundwinkeln und durch ihre dunklen schulterlangen,
meist fettigen Haare zog sich seitlich eine breite orangerote Strähne, die sie
wohl für den letzten modischen Schrei hielt. War sie allein bei mir, jammerte
sie ständig und beklagte sich über ihre Rückenschmerzen, wenn sie sich an mir
zu schaffen machte. Ihr intensiver Körperschweißgeruch verursachte mir
Übelkeit.
    Nach zwei Nachtschichten, in denen
Agnes für mich verantwortlich war, wünschte ich ihr die Pest an den Hals oder
zumindest, dass sie mal an meiner Stelle tagelang hier liegen müsste und von
einer ähnlich engagierten Pflegekraft wie sie eine war, versorgt würde….Zudem
schwor ich mir innerlich: Sollte ich wieder imstande sein, zu laufen, dann käme
ich hierher auf die Station und würde Agnes einen solchen Tritt in ihren
breiten Allerwertesten verpassen, dass sie ihre Rückenschmerzen sofort vergäße!
     
    Zurück zur Logopädie-Stunde: Jana war
sehr angetan von mir, als ich sämtliche Gegenstände innerhalb kürzester Zeit
halb krächzend und flüsternd benennen konnte. Sie steigerte das Niveau, indem
sie von mir verlangte, zu sagen, was die Tiere für Töne von sich geben.
Beispiel: Die Katze miaut, der Hund bellt usw. Auch dies bewältigte ich
mühelos, ebenso leichte Rechenaufgaben – da waren die, die ich mir selber schon
gestellt hatte, anspruchsvoller gewesen! Dennoch fühlte ich mich auf groteske
Weise stolz, als sie zufrieden ihre Karten zusammenfächerte und erklärte:
    „ Meiner Ansicht nach benötigen Sie keinerlei
Logopädie, ihr Sprachzentrum und ihre kognitiven Fähigkeiten sind
überdurchschnittlich gut. Ich werde das so an Prof. Hieber weiter geben. Alles
Gute für Sie, Frau Salten!“
    Ich beneidete sie maßlos, als sie mit
leichtem Schritt das Zimmer verließ. Ich wollte auch hier weg, wollte laufen,
raus aus dem Krankenhaus. Ich wollte mein normales Leben wieder haben, verdammt
noch mal! Aber hier half mir zum ersten Mal in meinem Leben mein starker Wille
allein nicht. Geduld war gefragt und davon besaß ich herzlich wenig.
     
    Seit drei Tagen hatte ich regelmäßig
täglich eine halbe Stunde Physiotherapie. Als meine große schlanke Therapeutin
zum ersten Mal mein Zimmer betrat, dabei mit den
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