Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
ZITRONENLIMONADE (German Edition)

ZITRONENLIMONADE (German Edition)

Titel: ZITRONENLIMONADE (German Edition)
Autoren: Marleen Reichenberg
Vom Netzwerk:
ihn, wie er lachend sagte:
      „Mensch Agnes, jetzt lass´ doch mal die Kirche
beim Dorf. Frau Salten ist schwer krank, aber dafür sieht sie bemerkenswert gut
aus. Und sie besteht keineswegs aus Haut und Knochen, sondern ist im Gegensatz
zu dir einfach nur schlank und sportlich. Wahrscheinlich ist sie sehr
diszipliniert, und das wird ihr helfen, soweit wie möglich wieder gesund zu
werden.“   Herzlichen Dank – und   - Jawohl
Junge, gib´ s ihr richtig! jubelte ich lautlos.
      Agnes reagierte beleidigt.   "Soll das etwa heißen, dass ich dick bin?
„ fragt sie säuerlich. Ihr Kollege ließ mich auch bei der nächsten Antwort
nicht im Stich. "Die Dünnste bist du beim besten Willen
nicht!“ hörte ich ihn frotzeln, als die beiden das Zimmer verließen. Ich nahm
den Pfleger umgehend in meine Freundesliste auf und war wild entschlossen,
dieser Ignorantin zu zeigen, was ich alles mitkriegte.
     
      Mein
größtes Handicap in den ersten Tagen bestand darin, dass ich nicht in der Lage
war, Worte laut auszusprechen. Wenn ich versuchte, zu reden, kam aus meiner
Kehle, die sich anfühlte, als hätte ich stundenlang mit Sand gegurgelt, gar
nichts oder lediglich ein Krächzen. Was natürlich ungeheuer dazu beitrug, für
voll genommen zu werden.
    Aber Professor Hieber, der Leiter der neurologischen
Intensivstation und der Mann, der mir mit der Operation das Leben gerettet hatte,
vermutete bei der Visite, das käme lediglich davon, dass ich über zehn Stunden
lang intubiert war und habe nichts mit einer Sprachschädigung zu tun. Ich
wusste, dass er Recht hatte, denn ich konnte alle Worte tonlos vor mich hin
flüstern.
      Nur nahm sich in der Hektik des Alltags auf
einer Intensivstation niemand die Zeit, mir verstärkte Aufmerksamkeit neben der
normalen Pflege zu schenken. Alle, die bei dieser Visite um mein Bett herum
standen, sahen mich skeptisch an, als er anordnete, dass eine Logopädin bei mir
vorbei schauen sollte.
    Ich nahm alle meine Kräfte zusammen und
krächzte, so laut ich konnte und diesmal kamen tatsächlich Worte aus meinem
Mund: „ Hals tut so weh.“ Alle starrten mich an, als ob sie ein Mondkalb vor
sich hätten – vor allem diejenigen Schwestern, die sich bisher nie die Mühe
gemacht hatten, mich direkt anzusprechen… Auch der Grünschnabel, so registrierte
ich mit einem zufriedenen Seitenblick, stand da wie vom Donner gerührt.   Nur der Professor nickte zufrieden.
      „Habe ich´s doch gewusst, dass Sie alles
mitbekommen!   Wunderbar, Frau Salten. Die
wunde Kehle wird bald abheilen, dann müssen Sie sich nicht mehr so anstrengen.
Trotzdem möchte ich ganz sicher gehen, dass Ihr Sprachzentrum intakt ist,
deshalb kommt morgen die Logopädin zu Ihnen.“
     
    Der folgende Tag, Tag fünf nach der
Operation, bedeutete für mich einige Fortschritte. Gleich morgens um halb neun,
nach der obligatorischen Visite, stand eine zierliche   Blondine um die Fünfzig in einem weißen Kittel
neben mir. Freundlich lächelte sie mich an und drückte sanft die Finger meiner
rechten Hand.
    „Hallo, ich bin Logopädin, also
Sprachtrainerin, mein Name ist Jana. Ich würde gerne feststellen, ob die
Gehirnblutung ihr Sprachzentrum in irgendeiner Art und Weise beeinträchtig
hat.“
    Genau das interessierte mich ebenfalls
brennend, obwohl ich innerlich überzeugt war, klar denken und sprechen zu
können. Aber ich wollte gerne die Meinung einer Expertin dazu hören. Als sie
mich bat, bei ihren Übungen mitzuarbeiten, blinzelte ich zustimmend.
    In der folgenden Stunde kam ich mir vor
wie im Kindergarten. Um heraus zu finden, ob mein Gehirn in der Lage wäre,
Gegenstände zu erkennen und zu benennen, zeigte sie mir nacheinander weiße Karten
in Schulheft-Format, auf denen einfach gezeichnete Dinge wie ein Haus, ein
Baum, ein Vogel, eine Katze oder ein Hund zu sehen waren. Am liebsten wäre ich
rausgeplatzt:
      „ Hund, Katze, Maus….“ wie das die Kandidaten in
den Ratesendungen im Fernsehen immer tun und hätte dazu dreckig gelacht. Würde
ich dies aber unter den jetzigen Umständen tatsächlich versuchen, so nahm ich
an, kämen ernste Zweifel an meiner geistigen Verfassung auf, also ließ ich es
lieber.
     
      In
meinen länger werdenden wachen Phasen ertappte ich mich dabei, mit sämtlichen
Menschen, die in meinem Zimmer ein- und ausgingen, imaginäre Gespräche zu
führen, wobei meine Bemerkungen von Klugheit, Schlagfertigkeit, Ironie und
Sarkasmus geradezu strotzten. Beispielsweise dann, wenn eine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher