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ZITRONENLIMONADE (German Edition)

ZITRONENLIMONADE (German Edition)

Titel: ZITRONENLIMONADE (German Edition)
Autoren: Marleen Reichenberg
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die Ärzte
auf Knien anflehen, alles zu tun, damit ich wieder gesund werden würde….Tja,
soweit ich das in meinem Zustand beurteilen konnte, befand sich außer mir
gerade niemand im Zimmer.
    Ich war mutterseelenallein!   Hatten sie mich schon alle abgeschrieben?   Vermutlich hatte ich zu viele
Krankenhausserien geguckt.
    Stopp Christina,   jetzt mach aber mal einen Punkt, schimpfte
ich mich innerlich. Es könnte ja sein, dass sie bereits alle stundenlang hier
im Warteraum gezittert hatten, während ich noch im Narkosetiefschlaf gelegen
und operiert worden war. Und dann, als sie aufatmend vernommen hatten, dass ich
noch am Leben war, schnell nach Hause gegangen waren, um sich   frisch zu machen. Meine jüngere Schwester
Martina war ohnehin entschuldigt, die verbrachte gerade ein Jahr in Australien
bei ihrem Freund und lernte dort   lebenswichtige Fähigkeiten wie Kängurus jagen
und Schafe scheren. Gutmütig wie ich war, beschloss ich, ihnen allen vorläufige
Absolution zu erteilen, bis ich Näheres wusste…..Zurück zu meinem
Selbst-Intelligenz-Test:
    Ich stellte mir zunächst einfache und
dann kompliziertere Rechenaufgaben, erinnerte mich an alle möglichen
Begebenheiten aus meiner Kindheit und dachte mit Wehmut an Oma, die
dreiundneunzig Jahre alt wurde, nachts im Bett dem plötzlichen Herztod erlag
und bis zum Ende bei klarem Verstand und fit wie ein Turnschuh war. Sie war die
Mutter meines Vaters gewesen, berühmt für ihre unverblümten Aussprüche und ihre
Lebenserfahrung, und sie hatte mir und meiner Schwester völlig unverhofft
jeweils 150.000 Euro vermacht!
     
    Es gelang mir mühelos, auch in Englisch
und Französisch ein paar Sätze zu formulieren und erst als ich ganz sicher war,
dass wenigstens mein Verstand und mein Gedächtnis meiner Ansicht nach keine
bleibenden Schäden erlitten hatten, erlaubte ich mir, in einen tiefen
Dämmerschlaf zu sinken.
     

Kapitel Zwei
     
    In den folgenden Tagen wechselte ich
ständig zwischen langsam länger werdenden Wachphasen und gnädigem Schlaf hin
und her. Gnädig deswegen, weil ich mir im wachen Zustand wünschte, mein Kopf
wäre genauso gefühllos wie meine rechte Körperseite. Stattdessen tobte der
Schmerz darin wie ein wildgewordener Bienenschwarm.  
    Schamerfüllt erinnerte ich mich an eine
Studienkollegin, die oft unter heftigen Migräneattacken litt und sich dann nur
noch in ein abgedunkeltes Zimmer zurückzog, bis ihre starken Schmerztabletten
wirkten. Ich hielt das damals für maßlos übertriebene Hypochondrie und machte
mich zusammen mit unseren männlichen   Kommilitonen, die Kopfweh gnadenlos als„Zickenkrankheit“ bezeichneten,
darüber lustig. Geschah   mir   vollkommen   recht, dass ich - wenn auch erst jetzt - für meine Überheblichkeit büßen
musste. Meine Oma sagte immer, kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort,
für große braucht er etwas länger.  
    Aber auch ich bekam starke
Schmerzmittel gegen mein Kopfweh. Anfangs gaben sie mir diese über eine
Handpumpe, die ich jedes Mal drücken konnte, wenn es unerträglich wurde. Dann
schoss das Mittel über die Infusion in meine Venen und ich spürte schon nach wenigen
Minuten Erleichterung.
    Das Zeug hieß „Lanidulor“, jedenfalls
hatte ich den Arzt so verstanden. Aber er war der Einzige, der den vollen Namen
des Medikaments nannte. Das Pflegepersonal sprach verniedlichend vom „Lani“,
was „die Patientin“ verabreicht bekam. Von Anfang an war ich misstrauisch gegen
dieses Mittel, obwohl es half, den Schmerz für eine gewisse Zeit auf ein
erträgliches Maß herunter zu reduzieren. Ich hatte Angst davor, süchtig zu
werden. Meine Befürchtungen verstärkten sich, als ich eines Morgens mitbekam,
wie der Stationsarzt die Pumpe überprüfte und   der neben ihm stehenden Schwester mitteilte:
      „ Die Pumpe ist leer. Sie hat sich heute Nacht
alle 25 Schuss gesetzt; die Schmerzen sind immer noch stark.“
    Ich lag wie üblich wach, aber mit
geschlossenen Augen da, hörte die Worte “Schuss gesetzt“ und sah mich prompt
als verwahrloste Pennerin mit verfilzten Haaren irgendwo in einer verdreckten Hausnische
hocken, wo ich mir mit zitternden Händen eine Spritze aufzog und in die Armvene
jagte – wobei ich generell viel zu feige dazu war, mir selbst weh zu tun. Ich
hatte es im Biounterricht in der elften Klasse noch nicht mal fertig bekommen,
mir für die Blutgruppenbestimmung mit einer Lanzette in die Fingerkuppe zu
stechen. Das hatte dann mit Wonne meine Nebensitzerin
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