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Zitadelle des Wächters

Zitadelle des Wächters

Titel: Zitadelle des Wächters
Autoren: Thomas F. Monteleone
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vom Gefühl gezeugt, Gestaltung aus der Philosophie geboren, der Zweck von allem folgt den strengen Regeln einer Meditation, all dies kann man in Eleusynnia vorfinden. Das Land ist stark in der Weltwirtschaft engagiert und wird in seiner Geschicklichkeit darin nur noch von Nespora übertroffen. Aber die G’rdellianer sorgen auch für die Verbreitung der Kultur und der Menschenwürde, und in diesen Belangen werden sie von niemandem übertroffen. Sie sind philosophische Autodidakten, und ihre Vorstellungen von Form und Schönheit haben ihre eigenen Interpretationen von Logik durchdrungen – doch darf dies nicht als Behinderung angesehen werden. Die G’rdellianer sehen die Welt als einen von Natur aus logischen Ort an, in der alles eine vernünftige Ursache und Wirkung hat. Sie versuchen nie, sich diesem natürlichen Universalfluß entgegenzustellen. Und vor allem genießen sie traditionell den Ruf, erstklassige Soldaten zu sein. Die Elite der Keil-Soldaten wird überall in der Welt gefürchtet, doch werden diese Soldaten nur zur Verteidigung der eigenen Landesgrenzen eingesetzt. Die G’rdellianer sind von Natur aus friedliebend und hegen keine imperialistischen Gelüste. Doch wäre es durchaus keine so schreckliche Vorstellung, wenn die ganze Welt einem solchen Land wenigstens ähneln würde.
    Südlich von G’rdellia liegt eines der größten Geheimnisse der Ersten Zeit. Das Land, das, anders als im Norden, nicht von liebevollen Händen und Gehirnen bearbeitet wurde, ist eine dürre, staubige Einöde geworden, die von einem sonderbaren Leuchten erfüllt ist. Der hiesige Boden wird sandig, und die Vegetation nimmt borstige, hagere Formen an, wenn sie nicht schon längst ausgestorben ist. Man nennt diesen Ort die Eisenfelder und das aus gutem Grund: Er stellt einen gigantischen Friedhof für Metallgegenstände aller Art dar. Überbleibsel aus ungezählten Kriegen, Todesbringer vergangener Zeitalter und Kriegsmaschinen, deren Zweck schon vor langer Zeit vergessen wurde, liegen zerbrochen, halb vergraben und rostend in der unerbittlichen Sonne. Die Zeit lastet schwer auf diesem Ort, und man verspürt den Geruch des Todes, der über den Sandmassen schwebt wie ein Rabe, der nur auf die Chance wartet, wieder einmal zuschlagen zu können. Der Geruch wird angereichert von Maschinenöl und Kordit, von Blut und Zerfall. Man nimmt an, daß hier einmal eine riesige Schlacht stattgefunden hat, wo alle Stämme der Welt auf einem Fleck zusammenströmten, um eine endgültige Entscheidung zu erzwingen. Und danach waren auf ewig die Waffen und bleichenden Knochen in den Boden eingeätzt worden – wie eine grimmige, intolerante Elfenbeinschnitzerei. Einige behaupten, diese Schlacht auf den Eisenfeldern sei das Ende der Ersten Zeit gewesen. Andere dagegen meinen, dies sei nur die letzte eines endlosen Zyklus von Endzeitschlachten gewesen, und die Bezeichnung „Erste Zeit“ sei vielleicht falsch – man sollte sie zutreffender mit „Vorangegangene Zeit“ umschreiben. Aber wer will das entscheiden? Es liegen keine Beweise vor, die die Argumente einer Seite widerlegen könnten – oder überhaupt ein Argument in diesem Zusammenhang. Ein Beweis ist im Vorhandensein der geborstenen Maschinen gegeben, ein Beweis, der voll Kummer sagt: Wir waren hier, und auf diese Art haben wir gekämpft, und hier sind wir gestorben. Die Geheimnisse überlebten den Tod der Armeen, und niemand kann behaupten, er wüßte, wer diesen Ort zum Kämpfen und Sterben aufgesucht hat.
    Die Frage ist philosophisch, und wie bei den Myriaden von anderen Fragen, die den menschlichen Geist plagen, gibt es einige Orte, wo sie einem eher in den Sinn kommen als anderswo. Ein solcher Ort liegt nördlich des G’rdellia-Meeres: das kleine Fürstentum Odo. Wie das Shudrapur-Dominion den Bauch der Welt vorweist, wie Nespora die Welt mit Geldbörsen versorgt und G’rdellia mit der Ästhetik, so verschafft Odo der Welt den Geist. Seine Hauptstadt Voluspa ist ein ehrwürdiger Ort. Man sagt, sie sei auf den Ruinen von sieben anderen großen Städten erbaut worden, die alle an der gleichen Stelle gestanden haben sollen. Voluspa hat ein kosmopolitisches Flair und ist mit Kirchen, Moscheen und Tempeln übersät. Ihr Horizont gleicht einem Wald aus Türmen und Minaretten, jeder von ihnen wetteifert darum, den ersten Lichtstrahl des leuchtenden Morgengrauens und den letzten der schwindenden Dämmerung einzufangen. Jede Religion, jede Sekte, jede philosophische „Schule“ hat es
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