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Zitadelle des Wächters

Zitadelle des Wächters

Titel: Zitadelle des Wächters
Autoren: Thomas F. Monteleone
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und breitet sich weiter von der Bevölkerung aus, die in der Regel in Tausenden kleiner, ländlicher Dörfer wohnte. Jedes einzelne wird von einem kleinen, rustikalen Ältestenrat regiert – Männer, denen man deshalb Weisheit zuspricht, weil sie schon so lange leben – und umgekehrt. Die Landwirtschaft ist der Schlüsselpunkt der Gesellschaft von Shudrapur, ein Umstand, der durch die geringe Ausdrucksstärke der beiden einzigen Städte, Ghaz und Babir, nur noch unterstrichen wird. Obwohl im eigentlichen Sinn weder ein Staatskörper noch ein starkes Nationalgefühl unter der gigantischen amorphen Ansammlung von Dörflergemeinschaften festzustellen ist, existiert eine Zentralverwaltung für das Shudrapur Dominion, das in der östlich gelegenen Stadt Ghaz zu Hause ist. Die Stadt erstreckt sich über ein großes, aber dünn besiedeltes Gebiet entlang einer Überschwemmungsebene, wo der Sommerregen Millionen Blüten zum Blühen bewegt. Die Architektur der Stadt spiegelt die nationale Weltanschauung wider: funktional, einfach, aber ohne die kalte Strenge einer völlig asketischen Persönlichkeit. Musik, Kunst und Literatur des Landes sind konservativ ausgerichtet, zuweilen auch moralistisch, kurz zusammengefaßt: dumpf. Trotzdem verdient der Staat Beachtung, kann er doch Verantwortung tragen, und er verfügt über einigen Reichtum, wenn man den auch nicht auf den ersten Blick erkennt. Die unausgesprochene Ausrichtung dieses Staates auf das Land führt zu großen landwirtschaftlichen Überschüssen, die in die nördlichen Länder exportiert und dort als willkommene Handelswaren angesehen werden. Jeder, der Kultur hat, und jeder Gourmet weiß den Geschmack der Früchte von den Obstgärten des Dominions, der Weine von seinen Weinbauhängen oder des Korns der wogenden und wehenden Hügel zu schätzen.
    Wollte man etwas wirklich Negatives über das Shudrapur Dominion sagen, so bleibt nur das Schwarze Loch: eine offene Wunde in der Erde, die sich über mehr als tausend Kas ausdehnt und mehr als zwanzig Kas in gezackter Linie nach unten abfällt. Lehnt man sich über den Rand, starrt man in die Unendlichkeit. Der eigentliche Boden des Schwarzen Loches verliert sich in einem dunstigen Nebel, der die untersten Regionen bedeckt. Die Wände sind wie von einem gigantischen Schneide Werkzeug eingekerbt und eingeschnitten. Der Fels besteht aus einer Mischung aus Basalt, Granit und Braunkohle. Der Ort sieht schrecklich aus. Niemand, der bei klarem Verstand ist und sein Leben liebt, wird je in das Schwarze Loch eindringen wollen; trotzdem kennt man Geschichten von Entdeckern, die es in frühren Zeiten versucht haben. Niemand weiß, was aus ihnen geworden ist. Keiner kehrte je zurück oder stieg an der jenseitigen Wand wieder heraus. Viele Shudrapurier sind der Überzeugung, wenn es auf der Oberfläche der Erde einen Eingang zur Hölle geben sollte, dann könne er nur hier liegen.
    Mit der oben gemachten Bemerkung über ein östlich von Shudrapur Dominion gelegenes Reich ist natürlich das Scorpinnianische Kaiserreich gemeint. Bei weitem die größte Nation der Welt, zeigt sich das Kaiserreich als riesige Landfläche voller unbestellter Wiesen und ungestört wachsender Wälder, wo die Bäume so dicht stehen, daß es der Sommersonne so gut wie unmöglich ist, dort bis zum Boden durchzudringen. Endlose Prärien erstrecken sich ungehemmt von der Eban-Flußebene im Norden bis zum Ufer des Kirchow-Flusses im Osten. Die Erde ist hier reich und schwarz wie die Nacht. Nach der Legende wurden einst auf diesem Boden gewaltige Schlachten geschlagen, und die Millionen erschlagener Leiber haben über die Jahrtausende hinweg die Erde so fruchtbar gemacht. Die Ironie des Schicksals nimmt in solchen Fällen oft einen ätzenden Charakter an, wie eben auch bei den Scorpinnianern: Sie gelten nicht gerade als die besten Bauern der Welt, und der Großteil ihres wunderbaren Landes wird ungenutzt von Generation zu Generation weitergereicht. Das gleiche läßt sich von den immensen Vorkommen an Erz und anderen wertvollen Metallen sagen, die fast überall im Kaiserreich unter der Erde liegen: Eisen, Bauxit, Thorium, Uran, Mangan und Silber. Es liegt im wahrsten Sinne des Wortes überall und wartet nur darauf, herausgeholt, gereinigt und bearbeitet zu werden. Aber man läßt es unberührt in der Erde, abgesehen von einigen Nutzungsverträgen, die Nespora in die Wege leitet und die das Portefeuille des „Kaisers“ etwas voller machen – doch zur Steigerung des
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