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Zitadelle des Wächters

Zitadelle des Wächters

Titel: Zitadelle des Wächters
Autoren: Thomas F. Monteleone
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verschiedensten Kulturen und Religionen drängeln sich Wange an Wange entlang der Küste der einzigen bekannten befahrbaren Wasserstraße auf diesem Planeten. Was jenseits der bescheidenen Grenzen dieser Orte liegt, weiß kein Mensch. Möglicherweise ist die Welt immer ein Hort der Dunkelheit und Angst gewesen, nur gelegentlich und weit verstreut von einer Fackel erhellt. Doch der Berichterstatter, der „Historiker“, wenn ich mir selbst diesen Titel anlegen darf, will daran nicht glauben.
    Nein, ich fühle, daß in jedem Mythos ein Körnchen Wahrheit steckt und in jeder Tatsache ein Körnchen Lüge. Und dazwischen kann alles mögliche stecken. Wir können nicht wissen, was uns noch bevorsteht, und wir können uns weigern, jenes, was bereits stattgefunden hat, wahrzunehmen. Aber ich bin davon überzeugt, daß in den vergrabenen Steinen Lehren für uns liegen, in den bleichen Knochen Warnungen, Testamente in den verrosteten Maschinenhaufen, in den schwarzen Skeletten der Flugzeuge, die unbedeckt von Wind und Sandmassen dastehen, oder in den zerschmolzenen und verborgenen Hüllen der grauen Schiffe, die die Ozeane hin und wieder an unsere Küsten werfen.
    Wir können unserer Herkunft nicht den Rücken zukehren – wie immer sie auch gewesen sein mag. Falls es Geheimnisse gibt, müssen wir sie, da wir Menschen sind, auch lösen.
     
    Ein kurzer Kommentar zum Zustand der Welt
    (aus dem Handbuch des
    Granter von Elahim)
     

 
Eins
     
    Zuerst schien es für Varian Hamer kein besonderer Tag zu werden. Aber da irrte er sich.
    Während er auf dem Deck der Courtesan stand, beobachtete Varian die letzten Widerspiegelungen der aufgehenden Sonne und wie sich die smaragdgrüne Oberfläche des Aridard-Golfs teilte. Die Brise trug einen leichten Salzgeruch mit sich, und die Geräusche von den großen Docks Mentors schwollen in Varian an wie ein gemeinsames Summen von riesigen Insekten, als dort mit der Arbeit begonnen wurde.
    „Nun mal los, ihr Pfeifen! Hoffentlich pumpen die Arme bald! Packen wir’s an!“ Der erste Maat stolzierte im Fo’csle-Schritt herum, starrte seine Männer an und trainierte seine Stimme für einen langen Morgen.
    Varian sprang auf der Steuerbordseite an den Webeleinen hoch und erreichte das erste Segel am Besanmast. Während er es losband, wanderte sein Blick über die Landeplätze, wo andere große Golfschiffe sich anschickten, den Anker zu lichten. Wie schon bei seinem Vater war auch für Varian die Seefahrt der einzige Beruf, den er kannte, obwohl er sich wünschte, auch in anderen Berufen erfahren zu sein. Seine Reisen hatten ihn um die ganze Welt geführt. Varian kannte die Straßen und Alleen aller größeren Häfen: Elalium, Vaisya, Talthek, Voluspa, Nostand, Ques’Ryad, sogar Eleusyannia und Landor. Er war neugierig und aufgeschlossen und schien niemals genug von dem Ort erfahren zu können, den er gerade besuchte. Stets fragte sich Varian, was hinter dem Horizont der Golf statte liegen mochte. Ganz sicher bestand die Welt aus mehr als nur den paar Dutzend Häfen, die sich an die Küsten des Golfs von Aridard drängten.
    Varian Hamer war fast zwei Ems hoch – für die Menschen dieser Zeit eine beachtliche Größe. Sein dunkles Haar trug er lang, es wallte lockig bis auf die Schultern hinunter. Er war nicht wie ein Supermann mit Muskeln bepackt, aber auch nicht mager. Varians dunkle Augen funkelten, obwohl sie zu der dunkelgebräunten Haut – dem Kennzeichen eines jeden Golf Schiffers – keinen Kontrast mehr bildeten. Er war im traditionellen Braun und Weiß des Handelsseefahrers gekleidet, wobei das Gewand von einem dicken Gürtel zusammengehalten wurde. An der linken Hüfte trug er ein Kurzschwert. Varian verfügte über große Erfahrung beim Umgang mit Waffen; denn er hatte im Alter von knapp fünfzehn Jahren das Glück gehabt, auf der berühmten Nachtschatten zu segeln, mit der auch ein vielgerühmter Waffenmeister gefahren war. Die Nachtschatten war das schnellste und größte Handelsschiff auf dem Golf gewesen; ihr phantastischer schwarzgoldener Rumpf war in der ganzen Welt als Schönheit und Wunder bekannt gewesen. Fast zwei Generationen lang segelte sie auf dem Golf, und kein Schicksalsschlag, kein Sturm und keine Räuber von Behistar hatten ihr etwas anhaben können. Bis sie eines Tages von einem Bürokraten aus Borat gekauft worden war. Die Nachtschatten wurde mit einer neuen Mannschaft und genug Verpflegung versehen, um die Wassermarke unter die Meeresoberfläche zu drücken.
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