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Zitadelle des Wächters

Zitadelle des Wächters

Titel: Zitadelle des Wächters
Autoren: Thomas F. Monteleone
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Verstanden?“
    „Jawohl, Sir.“
    „In Ordnung, Hamer. Und vergiß nicht: Du unterstehst ab jetzt der Regierung von Nespora. Das ist ein anständiger und fairer Staat, und seine Seeleute sollten diesem Bild entsprechen. Wir behandeln unsere Mannschaft auf der Courtesan gut … jedenfalls solange sie es verdient hat. Hast du mich verstanden, Hamer?“
    „Jawohl, Sir.“ Varian bemerkte selbst, daß er sich sehr affirmativ anhörte, aber er verfügte über eine lange Erfahrung im Umgang mit autoritären Typen wie zum Beispiel dem Ersten Maat. Männer wie er besaßen eine präzise, streng geordnete und vereinfachte Sicht davon, wie die Welt auszusehen hatte. Ihre Wahrnehmung von der Welt war oberflächlich und ließ ein Gespür für die Komplexität der Verhältnisse vermissen. Der alte Furioso hatte eine einfache Methode, solchen Personen zu begegnen: Sprich offen und direkt mit ihnen, keine großen Worte und keine größeren Diskussionen. Gehorche ihnen so lange, wie ihre Befehle vernünftig sind. Aber sobald sie dir im Wege stehen, schaffe sie nachhaltig beiseite.
    Der Erste Maat hatte genickt und war bereits weiter auf dem Deck unterwegs, um andere neue Gesichter zu finden. Dort würde er seine Vorstellung wahrscheinlich wiederholen und unmißverständlich darauf hinweisen, welcher Rang ihm in der Hackordnung des Schiffes zukam. Varian maß dem nicht allzu große Bedeutung bei. Er kannte seinen Job und verrichtete seine Arbeit zur Zufriedenheit. Also, keine Probleme zu erwarten.
     
    Die Courtesan sollte aus Mentor heraus nach Eleusynnia segeln, dort ausladen und eine neue Ladung aufnehmen und dann weiter östlich Kurs auf Ques’Ryad nehmen, um erneut die Fracht auszuwechseln. Schließlich stand noch ein kurzer Aufenthalt in Elahim an, bevor es zum Heimathafen zurückging. Diese Fahrtroute war nichts Ungewöhnliches und wurde im allgemeinen die „Goldene Rundreise“ genannt, weil sie an den reichsten Städten des Golfs und der Welt Station machte und weil nur die besten Schiffe für diese Route ausgesucht wurden.
    Im Verlauf des Morgens wurde das Schiff reisefertig und zum Auslaufen bereitgemacht. Zu dieser Zeit waren die Docks von Mentor durch die Unzahl an Farben und das Gewimmel der Bewegungen zu einem bunten Wirbel geworden – und dafür war die „Juwelen-Stadt“ berühmt. Krämer und Handelsherren, Bettler und Könige liefen nebeneinander auf den Avenuen und Kais, die zu den Gangways der Schiffe führten. Banner knatterten in der Meeresbrise und zeigten so auch auf größere Entfernungen die Standorte der einzelnen Buden und Stände an. Die Wappen und Farben von ungezählten königlichen Häusern wetteiferten miteinander um Aufmerksamkeit und Ehrung. Der Duft von geröstetem Fleisch, gebackenen Nüssen und Pasteten stieg auf und vermischte sich mit dem Hafengeruch von frisch gefangenen Fischen, die jetzt in Kupfer- und Eisenkesseln kochten.
    Aus der choreographischen Verwirrung, die sich gemeinhin die Docks von Mentor nannte, trat eine gekrümmte Gestalt, merkwürdig bekleidet in der braunen Seidenrobe eines Mönchs, komplett mit Kapuze und einem Strick als Gürtel um den Bauch. Er fiel Varian vor allem durch seine Farblosigkeit in dieser künstlerischen Palette aus Geräusch und Bewegung auf. Da Varian bereits seine Arbeit erledigt hatte, lehnte er sich an den Steuerbord-Schandeckel und beobachtete die verhüllte Gestalt, wie sie sich mühsam durch die Menge kämpfte. Gelegentlich blickte das Gesicht der Gestalt in die Sonne. Varian konnte sehen, daß es sich um einen alten Mann mit Bart und grauen Haaren handelte. Der Alte starrte wie jemand in das Menschentreiben, der einen Bekannten sucht, diesen aber nicht entdecken kann.
    Etwas Seltsames ging von dem Mann aus, etwas, was nicht hierher gehörte, was Varian sich nicht erklären konnte. Daß er ihm überhaupt aufgefallen war, dieser gebückte Bettler, in dem zusammengeschmolzenen, dickflüssigen Gedränge aus Farben und Aufregung, war an sich schon merkwürdig genug. Irgendwie schwerfällig und doch entschlossen lief der Mann zwischen den Verkaufsbuden und Gangways herum – eine Gangart, die auf ein hohes Alter hinwies, ein höheres Alter, als jeder sich erträumte, so als trage dieser Mann das Gewicht von Jahrhunderten auf seinen gebogenen Schultern. Und in seinen Augen stand ein bestimmter Schimmer, der auch von vergangenen Epochen kündete, als hätten viele Generationen sich wie Pergamentrollen vor diesen einsamen, fast verzweifelten Augen
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