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Zipfelklatscher

Zipfelklatscher

Titel: Zipfelklatscher
Autoren: Heidi Hohner
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Weiß ich nicht, denk ich mir nur.«
    »Des frag ich nachher den Janni. Schad, dass mich nicht mehr haben wollen bei der Feuerwehr.«
    »Papa, du hast die Übungen gehasst. Und du wirst nächstes Jahr vierundsiebzig.«
    »Jaja, aber nett wars schon – und der Schweinsbraten danach, der war immer umsonst!«
    Aber der Schmerz über seinen Feuerwehr-Ruhestand sitzt anscheinend nicht allzu tief. Mein Vater rückt ganz entgegen seiner Art ziemlich schnell mit seinen eigentlichen Sorgen raus.
    »Meinst ned, dass wir heut den Biergarten noch zu lassen sollten?«
    »Kommt nicht in Frage! Wozu haben wir uns denn letzte Woche zusammengesetzt und die Umsatzziele für diese Saison besprochen?«
    Ich drücke mit den Schulterblättern die Spindtür zu, die wieder aufschwingen will, und schiebe meinem kleinen Geheimnis den Riegel vor.
    »Der Wetterbericht sagt für heute vierundzwanzig Grad an! Und das im April! Wir machen auf!«
    »Mei, aber ich würd gern noch mal zu die Fischerl.«
    »Ich weiß, Papa, aber es kommen noch viele schöne Tage, an denen du zum Becken rudern kannst.«
    Die Fischereigenossenschaft hat meinem Vater zum Ruhestand die Patenschaft für ein Anzuchtbecken im Hafen unserer Kreisstadt Prien übergeben. Meine Idee war das gewesen, damit ihm die Betriebsübergabe leichter fallen sollte. Das Ganze war eigentlich mehr so pro forma gemeint, eine Placebo-Patenschaft, weil sich ja in Prien ein ganzer Betrieb um die Anzucht kümmert und mein Vater da nur im Weg rumsteht. Aber anscheinend fühlt er sich jetzt tatsächlich verantwortlich für viele Tausend Babyrenken, und manchmal kommt es mir sogar vor, als würde mein Vater vor lauter Patenschaft den Blick fürs Wesentliche verlieren.
    »Du weißt, Papa, unsere einzige Chance für einen vernünftigen Jahresschnitt bedeutet: Bei den Sonnfischers ist ab Mitte April geöffnet, Montag ist Ruhetag, aber sonst gibt es keine Ausnahmen. Die Gäste müssen sich darauf verlassen können, dass sie frisch geräucherten Fisch bekommen, wenn sie bei uns vor der Tür stehen. Der Fang heute, der geht zur Hälfte frisch an die Wirte, und den Rest häng ich in die Selch [5] . Und du hast heute richtig viel zu tun: Tische und Bänke aufstellen, Tischdecken drauf, Kies aufharken! Und um elf kommt die Aushilfe und kann dir mit dem Rest helfen.«
    »Helfen, helfen – mir ham noch immer alles allein gschafft! Ich mach lieber zu, als dass ich jemand Fremden unser Sach machen lass!«
    »Papa. Die Arbeit wird nicht weniger, und ich weiß manchmal nicht, wo ich zuerst anfangen soll! Aber: Bei uns bekommt man ehrlichen Räucherfisch, in der Semmel oder mit Kartoffelsalat, Dienstag bis Sonntag von elf bis acht. Da wird nicht einfach so zugemacht! Das ist schließlich unser Alleinstellungsmerkmal!«
    Mir ist klar, dass ich gerade klinge wie die Schöngruber Emerenz nach einem BWL-Crashkurs. Die Emerenz ist unsere Nachbarin landeinwärts und ihres Zeichens ein furchtbares Klaghaferl. [6] Aber ich kann dem Sonnfischer senior ja schlecht ins Gesicht sagen, dass er mir letzte Saison auch noch eine wesentlich größere Hilfe war.
    »Alleinstellungs-ha? Jetzt redst schon daher wie deine siebengescheite Schwester! Die müsste eigentlich heut auch hier sein, wenn die Saison losgeht, und nicht in München! Ich denk, wir sind ein Familienbetrieb?«
    Das ist das alte Lied von der abtrünnigen Zwillingsschwester, in das ich allerdings nicht einstimmen werde. Im Gegenteil, ich kann die Fränzi nur bewundern, wie sie als junge Mama, als sehr junge alleinerziehende Mama, ihren Weg gemacht und die Mode- und Journalistenschule abgeschlossen hat.
    »Schau, die Fränzi, die schreibt halt einfach lieber. Die hat bei der Mimi einen super Job, ist total glücklich bei ihrer Frauenzeitschrift, und im Verlag ist sogar ein Hort für den Xaver mit allem drum und dran. Wenn sie hier mitarbeiten würde, dann müsste der Betrieb vier Leute ernähren statt nur uns beide.«
    Dass ich in Wahrheit sehr froh bin, dass ich eine Zwillingsschwester in München habe, zu der ich flüchten kann, sollte mir der Himmel über dem Chiemsee auf den Kopf fallen, sage ich jetzt lieber nicht. Und außerdem: die Fränzi und ich in einem Betrieb? Wer weiß, ob das gut gehen würde.
    »Diese Saison wird uns jedenfalls eine Hauswirtschafterin aushelfen, die hat mir die Schwester Sebastiana empfohlen«, versuche ich das Thema »Wieviele Mitglieder braucht ein Familienbetrieb?« zum Abschluss zu bringen. Aber Kloster ist für meinen Vater
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