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Zipfelklatscher

Zipfelklatscher

Titel: Zipfelklatscher
Autoren: Heidi Hohner
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ho, let’s go!«, und setzt mit einer ausholenden Feldherrengebärde ebenfalls den gelben Helm auf, Visier runter, zack. Zwei Feuerwehrmänner rennen daraufhin im Schweinsgalopp nach links zum Feuerwehrhaus, zwei nach rechts zum Haupteingang des Hotels. Ich spurte los. Und knalle leider direkt gegen den Aschenbecher, der unter dem Fenster der Hotelküche steht. Das hüfthohe Blechding fällt mit einem Scheppern um, das Tote auferwecken könnte. Ich halte die Luft an und schaue nach oben, denn über der Küche schläft eigentlich der Hotelgeschäftsführer Rudi Ganghofer. Aber wenn das stimmt, was mir die Schöngruber Emerenz erzählt hat, nämlich dass den Rudi seine Geschäfte hauptsächlich in den Weinkeller führen, dann ist der wahrscheinlich nicht einmal vom Feueralarm aufgewacht. Ich habe aber keine Lust, es darauf ankommen zu lassen, und renne los, Richtung See.

Die Welt sieht um diese Tageszeit aus wie ein Schwarz-Weiß-Film, aber mein Kopf denkt sich die vertrauten Farben dazu. Draußen ist inzwischen komplett das Morgenlicht angeknipst. Die kirchturmhohen Linden und die melancholischen Weiden mit ihren ockerfarbenen Zweigen haben die ersten Frühlingsblätter, und die Magnolien haben dicke weißrosa Knospen.
    Den Weg nach Hause würde ich im Schlaf finden, einmal rechts am Spielplatz vorbei, und nach dem Fußballplatz links runter zum See. Beim Lechner Sepp sehe ich im Schlafzimmer einen Schatten herumwandern. Der ist also nicht mit beim Einsatz. Wahrscheinlich bekommt er seine Feuerwehruniform nicht zu, oder seine Frau hat sie auf eBay gegen einen feschen Fummel eingetauscht.
    Ich zucke zusammen, als ich den Uferweg erreiche und beinahe mit einem Schatten zusammenstoße, der auf nackten Sohlen schneller unterwegs ist, als ich reagieren kann. Barfuß im Morgengrauen, das kann nur der Sedlmayer Gorvinder sein, der im Kloster die Yoga- und Meditationskurse anbietet. Ich werfe mich zu spät in die gelbe Blütenwolke einer Forsythie, Gorvinder erschrickt genauso wie ich und zischt wenig meditativ: »Angmalte Gurkn!« Leider hält der Schreck nicht lang an, er erkennt an mir blitzschnell einige Schlüsselreize und kommt näher.
    »Guten Morgen, schöne Frau!«
    So eine plumpe Anmache um sechs Uhr morgens? Der traut sich was. Nicht umsonst ist der Gorvinder dafür bekannt, alles mit Titten zu erleuchten, was nicht bis drei auf dem Baum ist. Trotz des kühlen Morgens ist sein sehniger Oberkörper nackt, über der braunen Haut baumelt eine lange Kette aus roten und orangefarbenen Perlen. Der muss jetzt wirklich nicht merken, dass die Sonnfischerin Kati Lochbichler morgens um sechs mit Perücke und verschmortem Cocktailkleid auf der Insel herumgeistert, und das dann sofort meinem Vater und der ganzen Insel weitertratschen.
    »Gutön Morgön, Herr …«, flöte ich mit verstellter Stimme.
    »Gorvinder! Ich heiße Gorvinder, und bin ein Diener des Lichts!«
    So ein Heuchler. Dass er mit Nachnamen Sedlmayer heißt, sagt er natürlich nicht dazu, dann würde nämlich auch die letzte Erleuchtungs-Touristin merken, dass er in Wirklichkeit aus Breitbrunn kommt. Jeden Morgen um fünf Uhr dreißig rudert er die zwei Kilometer vom Festland hierher, um barfuß um die Insel zu joggen, und ich sehe ihn höchstens vom See aus, wo ich eigentlich auch längst hingehöre.
    »Sie sind auch barfuß? Wir sind Seelenverwandte!«, flötet unser Pseudo-Inder jetzt mit seiner gewinnendsten Mantrastimme und reißt begeistert die Augen so weit auf, dass sich die Haut auf seinem fleischlosen Schädel in tiefe horizontale Falten legt.
    Statt einer Antwort schwinge ich Fränzis Tanzstundenpumps vor dieser plissierten Yoga-Glatze hin und her, um zu verdeutlichen, dass ich nur barfuß bin, weil mich die Schuhe drücken. Aber Gorvinder ist auf einem ganz anderen Pfad der Erkenntnis unterwegs und folgt mit dem Kopf enthusiastisch der Pendelbewegung meiner Schuhe.
    »Genauuuuuu, wegen der einmaligen Schwiiiiiiingungen hier!«, summt er und grinst noch breiter. Gähn. Das sagen viele, dass die Schwingungen hier so eine ungemein beruhigende und friedliche Wirkung haben.
    Auf alle, nur nicht auf mich.
    Ich weiß nur, dass ich hier auf dieser Insel zu Hause bin und einen Beruf habe, bei dem man um diese Zeit eigentlich schon längst auf dem See sein sollte, anstatt mit kalten Füßen Verstecken zu spielen.
    »Ich sehe an Ihrer Haltung, dass auch Sie Yoga praktizieren. Dieser geöffnete Brustkorb, damit der Atem fließen kann, wunderbar,
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