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Zipfelklatscher

Zipfelklatscher

Titel: Zipfelklatscher
Autoren: Heidi Hohner
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Schwester. Aber dann starb unsere Mama, und mit ihr fünfzig Prozent des Familienbetriebs. Und als mein Vater mich vor fünf Jahren auf ihrer Beerdigung gefragt hat, ob ich die neue Sonnfischerin werden will, weil er es allein nicht schafft, da habe ich ja gesagt.
    Ich beschließe, in die Offensive zu gehen, um Nils und mich auf andere Gedanken zu bringen.
    »Fisch? Also ich rieche nichts! Das bildest du dir ein!«
    Ich ziehe den BH kurzerhand über den Kopf, packe meine Männerbekanntschaft an den Schultern und drücke den Herrn von Böckel ohne viel Anstrengung zurück auf die rot-weiß-karierte Bettwäsche. Und weil das so einfach geht, lässt meine Nervosität ein wenig nach. Als Nils mir jetzt unverhohlen auf den frei schwebenden Busen guckt, sage ich nur: »Alles echt«, für den Fall, dass er aus beruflichem Interesse schaut.
    »Du bist ja noch stärker, als du aussiehst!«
    Darauf kann ich jetzt nicht viel erwidern, denn Betrunkene und Kinder sagen die Wahrheit, und leider ist nicht nur meine Oberweite echt, sondern auch mein Kreuz und meine Oberarme. Ich murmle etwas von »unsere Firma kriegt Prozente im Fitnessstudio«, aber das ist glatt gelogen. Ich habe noch nie ein »Dschimm«von innen gesehen. Ich bin einfach nur hauptberuflich Fischerin, und zwar keine Happy-go-deppy-Teichwirtschaftlerin, die in einem Becken voller Zuchtforellen herumstochert, sondern eine richtige: Netze, Angeln, Motorboot, Schlachtraum, Räucherkammer, das volle Programm. Nicht unbedingt der klassische Mädchenberuf, aber leider geil.
    Und genau wegen diesem Beruf haftet der Räucherfischgeruch hartnäckig an meinen Händen, die nach dem langen Winter noch rauer sind als sonst. Ob meine Kollegen auch dieses Problem haben? Eher nein, die anderen Fischer tragen nämlich bei der Arbeit Handschuhe, die auf ihre Männerpratzen zugeschnitten sind. Im Fischerei-Großhandel gibt es nur Handschuhe, in denen meine Finger aussehen wie ein Wienerwürstl in einem XXL-Pariser. Und selbst wenn ihre Hände nach Fisch stinken, ist ihnen das wahrscheinlich egal, denn Männern geht erstens so was meistens am Eimer vorbei, und zweitens sind meine Fischerkollegen alle brav verheiratet. Und lassen sich nicht von besoffenen Hotelgästen mit aufs Zimmer nehmen. Wenigstens nicht, soweit mir das bekannt ist, und bekannt ist leicht was auf dieser Zweihundertfünfzig-Seelen-Insel.
    Dieser Nils von Böckel ist nicht gerade ein schlankes Modell, eher ein richtiges Trumm Mannsbild [2] , und nackt wirkt er noch wuchtiger als in Frack und Kummerbund. Also genau mein Beuteraster, denn Männer, denen meine Jeans zu groß sind, die sind für mich einfach keine Männer. Ich schaffe es, ihn mit einer raschen Bewegung aus der Schulter einmal um die eigene Achse zu drehen. Er stöhnt noch einmal überrascht, aber dann erholt er sich und schaut mich ziemlich beglückt von unten an.
    »Das magst du doch?«, frage ich, allerdings mehr rhetorisch, und lege mich ins Zeug.
    »Du gehst aber ran«, ächzt Nils, und dann sagt er nichts mehr, weil er zu sehr damit beschäftigt ist, sich am gedrechselten Bettpfosten festzuhalten. In meinem Kopf saust es wieder, diesmal vor Erstaunen über mich selbst, aber ich bin froh, dass ich meine Hemmungen über Bord geworfen habe und jetzt oben sitze. Weil ich dann das Tempo bestimmen kann. Und weil dann meine Perücke nicht so leicht ins Rutschen kommt. Ich habe die glatte schwarze Ponyfrisur nämlich nur für ein paar Stunden Disco, aber nicht für sexuelles Headbanging festgesteckt.
    Aber Nils hat nicht nur auf der Tanzfläche eine ziemliche Ausdauer, trotz der Unmengen Obstler, die er in sich hineingeschüttet hat. In Gedanken korrigiere ich mein Rating, nach dem mich sicher die Fränzi fragen wird, wenn ich ihr mein Abenteuer beichte, von einer Fünf (wegen seiner Wampe und der schlecht rasierten Brusthaare) nach oben auf eine Sieben. Allerdings stellt mich das vor neue Probleme. Wir sind im Zimmer mit der besten Aussicht, und ich kann durch die Balkontür bereits die Silhouetten der Chiemgauer Hausberge erkennen, die sich vor dem immer heller werdenden Himmel abzeichnen. Ich gebe noch mehr Gas.
    »Du musst doch später sicher auch nach München zum Flughafen, oder?«, fragt mich Nils vier Minuten später mit schweißverklebten Haaren. Ich schaue unauffällig auf die Uhr und schwindle: »Nein, ich fliege von Salzburg aus!«
    »Oh. Schade. Wohin musst du noch mal genau?«
    Ich muss kurz überlegen. Eine Stadt in Mittelösterreich erscheint
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