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Zipfelklatscher

Zipfelklatscher

Titel: Zipfelklatscher
Autoren: Heidi Hohner
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einem leichten Vibrato in der Stimme sagt: »Na, also ich finde, dein Vater sieht ziemlich lebendig aus.«
    Und dann fügt er hinzu, und klingt noch amüsierter: »Gestatten, David Krug.«
    »Angenehm, Doktor Brüderle, aber nennen Sie mich ruhig Helga«, antwortet ihm eine samtige Frauenstimme, und ich nehme kurz die Hand von den Augen, denn vor David steht eine üppige ältere Dame mit hochgesteckten Haaren und lustigen Augen, die genauso brutzelbraun gebrannt ist wie mein Vater und unwesentlich mehr trägt, sie hat nämlich außer einem Badmintonschläger noch einen Federball in der Hand.
    »Und die Kleine ist …?«, fragt sie, und beugt sich zu Öhi hinunter, dass ihre Brüste nur so baumeln.
    »Helga, des ist mei Kati«, sagt mein Vater stolz und hat immerhin schon ein Handtuch um die Hüften geschwungen, das er sich von einer Isomatte gefischt hat. Ich lasse meine Blicke wandern. Schlafsäcke liegen da, daneben eine Schüssel mit Erdbeeren, eingeklemmt zwischen ein paar großen Steinen steht eine offene Flasche Prosecco im See. Das ist ein Liebeslager! Mein Papa hat eine Affäre mit der Ärztin, die seinen Zehnagel behandelt hat! Das nenne ich mal einen ganzheitlichen Ansatz!
    »Aber, aber, ich dachte, die Frau Doktor, also, die Helga, die ist frisch von der Uni? Du hast doch gesagt, sie wär dir zu jung?«
    »Zu jung? Ach, Bonifaz, du alter Charmeur!«, zirpt die nackte Rubens-Ärztin und ich muss mir schon wieder sehr angelegentlich die Rinde einer Birke aus der Nähe betrachten, weil das Handtuch um die Hüfte meines Vaters nicht aussieht, als würde es den diversen Wallungen noch lange standhalten können.
    »Aber Kati, die Helga ist erst sechzig! Freili ist die jung! Jetzt sei halt ned so. Ich werd ja wohl in meinem Alter noch in aller Ruhe mit der Helga FKK machen dürfen!«
    Ich gebe meine botanischen Betrachtungen auf und schaue meinem Vater direkt ins Gesicht, wie er strahlt, und ein bisschen verlegen aussieht wie ein Schulbub. Und auf einmal geht mir das Herz auf, weil es einfach nicht so aussieht, als würde er auch nur irgendwie an etwas zugrunde gehen. Im Gegenteil.
    »Ihr zwei Hübschen dürft noch ganz andere Sachen!« Ich umarme die beiden nackten Leutchen und muss kurz warten, weil das Geräusch eines dicht über uns hinwegfliegenden Hubschraubers alles andere übertönt. »Ich bin ja so froh, dass dir nix passiert ist! Und ich bin mir sicher, die Mama würde das ganz genauso sehen.«
    »Tja«, sagt eine Stunde später Professor Geiger fachmännisch, als die Wasserwichtel allesamt ein Bier vor sich stehen haben und die Emerenz stumm den Schock verarbeitet, dass noch nicht einmal sie von der Liebschaft des alten Sonnfischers wusste, »Alzheimer und Verliebtheit haben im Anfangsstadium nun mal die gleichen Symptome. Da kann einem schon mal der Alltag entgleiten, aber eines kann ich Ihnen sagen: Das, worunter der Herr Lochbichler ›leidet‹, das muss ziemlich ausgeprägt sein. Wenn er noch nicht einmal den Verlust seines Bootes und seines Lieblingsspielzeugs bemerkt hat!«
    »Ach du Scheiße, Verliebtheit und Alzheimer sind so ähnlich?«, antworte ich und schau mir David von der Seite an. »Brauchst nicht meinen, dass ich vergessen habe, was du mir vorhin auf der Krautinsel versprochen hast!«
    »Verzeihung«, unterbricht uns Helga Brüderle, die sich inzwischen in eine Art Sarong geschmissen hat und bis gerade eben mit dem Gorvinder angeregt über die medizinischen Vorteile der Nacktheit unter besonderer Berücksichtigung des Barfußlaufens diskutiert hat, »ich hätte wirklich sehr gerne noch so einen Veneto Sprizz!«
    »Verzeihen Sie, Frau Doktor«, verbessert David die neue Flamme meines Vaters, winkt der Tochter vom Sepp zwecks Nachschub und bedenkt alle umstehenden Damen mit seinem Hollywoodlächeln. »Winnetou, nicht Veneto. Bei uns heißt das Winnetou Spritz. Ich hoffe, der neue Name wird sich durchsetzen.«
    »Selbstverständlich«, ruft die Drechsel Caro begeistert mit schon ziemlich viel Aperol im Blick und in der Stimme, »wir Insulaner mögen schließlich alles, vorausgesetzt, es gefällt uns.«
    »Ich tät dann der Helga gern mal mein Zimmer zeigen«, verabschiedet sich mein Vater leise von mir und verschwindet mit Frau Doktor tatsächlich klammheimlich im Haus. David sieht ihnen nach und fährt mit einer Hand in die Locken an meinem Hinterkopf.
    »Ich denke, wir sollten uns jetzt auch hinlegen. Ich würde nämlich gerne morgen früh mit dir auf den See fahren. Fischen lernen.
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