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Zipfelklatscher

Zipfelklatscher

Titel: Zipfelklatscher
Autoren: Heidi Hohner
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ganz genau, dass unser Haus so alt ist, dass da bestimmt nirgendwo eine Dampfsperrfolie verbaut ist. Die muss also jemand mitgebracht haben! Um die Wände mit Schimmel zu präparieren! Und dann ein Stück vergessen haben! Das kann nur passiert sein, während ich in München mit meinem Vater beim Arzt war. Und du, Michi, du hattest den Schlüssel!«
    Ich strample mit den Beinen und bekomme einen cholerischen Anfall.
    »Michi, das war’s!«
    Den Teufel werde ich tun und noch einmal Mike zu diesem Hochstapler sagen!
    »Lass mich runter! Ich will heim! Und du, du hast ab heute bei mir Hausverbot!«
    Meine Wut verfliegt allerdings wie ein Babypups, als unter mir gefährlich nah Baumkronen vorbeiflitzen, und ich ohne Weiteres erkennen kann, dass die weiß-rot gestreiften Fensterläden des Schlossturms dringend gestrichen werden sollten. Ich ziehe die Beine an, weil ich Angst habe, hängenzubleiben, und was Michi-Mike schreit, verstehe ich nicht, will ich nicht weiter verstehen, weil ich zumindest die Ausdrücke »Fischerzuchtl« und »gschlamperts Flitscherl, greisligs!« herausgehört habe. Ich ziehe die Knie an die Brust, schau nach oben in den Himmel, und verwünsche meine Gene, auf denen offensichtlich die Codes für Diplomatie und überlegtes Handeln nicht eingraviert sind. Ich kann nur hoffen, dass mein Pilot daran interessiert ist, zumindest seinen eigenen Hintern heil nach unten zu bringen. Ich kneife die Augen zusammen, sehe nichts mehr, es saust, es raschelt, ein Stoß, Holpern, Rumpeln, Stille. Ein zartes Rauschen, als die Seide des Gleitschirms sich langsam senkt. Und: Applaus. Ich öffne die Augen und sehe mich um. Wo bin ich denn hier?
    »Gut gemacht! Du hast genau das Richtige gemacht!«, schreit eine der drei Gestalten, die über das Feld auf uns zulaufen, und der Schweizer Akzent lässt mich völlig vergessen, dass ich noch stärker verstrapst bin als ein Landrat bei der Domina und dass Michi-Mike offensichtlich auch nichts daran ändern will, denn der ist längst frei, lässt mich aber wie einen Käfer auf dem Rücken liegen, und macht einen Abgang vom Allerfeinsten.
    »Geht’s no?«, schreit ihm die Emerenz hinterher und fuchtelt drohend mit einem Trumm Feldstecher hinter ihm her, aber Michi-Mike dreht sich noch nicht einmal nach ihr um, und mein Empfangskomitee beschäftigt sich netterweise lieber mit mir als mit meinem Exverlobten. Janni ist als Erster bei mir und schafft es, mich mit ein paar Handgriffen aus meinem Gleitschirmgefängnis zu befreien. Trotz schlotternder Knie und rasselnder Karabiner stolpere ich David entgegen und greife nach seinen ausgestreckten Händen.
    »Kati, Liebe! Ihr seid ja nach unten wie die Verrückten! Der ganze Flug hat nur siebzehn Minuten und achtundzwanzig Sekunden gedauert. Hattest du keine Angst?«
    Nur ein Schweizer kann eine so präzise Zeitangabe machen, und mir wird klar, dass die drei mit ihren Ferngläsern die ganze Zeit auf der Landewiese gewartet haben müssen.
    »Angst? Überhaupt nicht!«
    David nimmt mich in den Arm, zieht mir den Helm vom Kopf und fährt mir durch die Haare. Und ausgerechnet jetzt, wo eigentlich alles vorbei ist, ausgerechnet jetzt fühle ich mich wieder wie in einer Steilspirale, Kopf, Herz, Bauch, alles dreht sich. Ich berge meinen Kopf an Davids Brust, und dann pinkle ich mir in die Hose.

»Mei, du arm’s Kind!«, sagt die Emerenz und streichelt zart mein Bein, das in einer alten Jogginghose von Janni aus dessen Pick-up herausragt, weil mich die Jungs auf die Sitzbank gebettet haben. Der Öhi schnüffelt währenddessen begeistert an meiner Jeans, die als kleines feuchtes Häufchen hinter dem Auto liegt, und fragt sich wahrscheinlich, warum keiner mit mir rechtzeitig Gassi gegangen ist.
    »Einen solchenen Schreck hast kriegt! Des nächste Mal, wenn du so einen Schmarrn machst, dann holst dir von mir die Inkontinenzeinlagen, die mir damals der Doktor Schubauer in Prien verschrieben hat, nach meinem Gebärmuttervorfall, da hab ich mir nämlich zwei Wochen lang einibieselt!«
    Eigentlich will ich die Emerenz fragen, warum zum Teufel sie überhaupt hier ist, aber David kommt gerade mit Janni zurück, mit einer Flasche in der Hand.
    »Schubauer?«, fragt David. »Das ist auch der Arzt, zu dem Clarissa heute Morgen gegangen ist.«
    »Ich weiß«, antwortet die Emerenz triumphierend, »hinbringen hast es dürfen, aber dann wollte sie dich bei der Untersuchung ned dabei haben, gell?«
    »Woher …« David haut es die Kinnlade herunter,
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