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Zimmer Nr. 10

Titel: Zimmer Nr. 10
Autoren: Ake Edwardson
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Winters Rücken. Winter lag halb auf der Seite an der Wand. Er glitt wieder langsam zu Boden. Er konnte Börge nicht sehen, hörte ihn nur hinter sich. Er war hilflos. Das Einzige, was er sehen konnte, war das Fenster, und von dort war keine Hilfe zu erwarten. Winter wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, seit er das Zimmer betreten hatte, es konnten Stunden sein, Tage. Vom Leben dort draußen konnte er auch keine Hilfe erwarten.
    Er spürte die Schlinge um seinen Hals. Börge zog zu. Die Luft wurde knapp, da war nur der Rest in seiner Luftröhre. Börge versetzte ihm einen Stoß, vielleicht, damit er besser über den Fußboden zu ziehen war.
    Plötzlich hörte Winter draußen Geräusche, es klang wie Metall gegen Metall. Da war es wieder. Am Rand seines Gesichtsfeldes flatterte etwas. Er begriff, dass die wilden Schatten vor dem Fenster nicht natürlich waren, nicht zum Himmel gehörten. Er begriff es, als die Scheibe splitterte, als Börge aufschrie. Vielleicht als die schwarze Gestalt durchs Fenster geflogen kam wie ein wilder, fremder Vogel. Winter ging die Luft aus. Er konnte nicht mehr denken. Sein letzter Gedanke war, dass der Junge die ganze Fassade an dem Gestell mit dem Hotelschild heraufgeklettert sein musste.

39
    Er hörte die Kinder im Flur lachen. Er sah die offenen Koffer auf den abgeschliffenen Kieferndielen stehen. Er sah sein Spiegelbild. Morgen würden sie unterwegs sein, gleich in der Frühe. Morgen. Die Abreise hatte sich länger verzögert, als sie gedacht hatten, aber die Klinik in Marbella hatte Verständnis gezeigt.
    John Coltrane blies heftig und laut, A Love Supreme, eine höhere Form von Liebe.
    Winter stand auf, ging in den Flur und fing Lilly mitten in einem Schritt auf. »Zeit, schlafen zu gehen, Schätzchen.«
    Später am Abend sprach er kurz mit Halders.
    »Ruf bloß nicht an, wenn es nicht rein privat ist«, sagte Halders.
    Winter lachte.
    »Das soll kein Scherz sein, Erik.«
    »Ich will dir nichts wegnehmen, Fredrik.«
    »Da gibt’s nicht mehr viel wegzunehmen«, sagte Halders.
    »Wie steht’s mit Börge?«
    »Scheiß drauf.«
    »Ich will’s gern versuchen.«
    »Er sagt, dass er nur getan hat, was er tun musste«, sagte Halders.
    »Nicht ganz«, sagte Winter.
    »Soll ich ihn daran erinnern? Dass er mit dir nicht ganz fertig geworden ist? Und der Junge? Er hatte ja auch Pläne mit dem Jungen.«
    »Mit mir ist er fertig geworden«, sagte Winter.
    »Wenn das so wäre, könnten wir uns jetzt nicht unterhalten.«
    »Jonas ist kein Junge mehr.«
    »Da geb ich dir Recht.«
    »Ich hab ihn heute Morgen angerufen«, sagte Winter. »Er ist ein einsamer Mann. Paula ist etwas Besonderes für ihn gewesen.«
    Halders schwieg.
    »Für ihn ist es nicht vorbei, Fredrik.«
    »Nein, und auf ihn werd ich keineswegs scheißen.«
    »Das weiß ich.«
    »Und auch nicht auf Mario Ney.«
    »Auch das weiß ich.«
    Winter hörte den Wasserhahn in der Küche laufen. Gleich darauf kam Angela ins Zimmer und setzte sich aufs Sofa. Sie trug einen Morgenmantel, und das war genau richtig. Es war nicht mehr lange bis zum Morgen. »Börge hatte herausgefunden, dass er über die beiden Kinder an sie herankommen konnte«, sagte Winter in den Hörer.
    »Mhm.«
    »Paula war … der Mittelpunkt. Sie war der Beweis, dass er von allen verraten worden ist. Ihre Existenz war der Beweis.«
    »Ja.«
    »Aber nicht nur das.«
    »Nein.«
    »Bis dann, Fredrik.«
    »Pass auf dich auf, Erik, und auf deine Familie.«
    Später fiel Winter ein, was ihm durch den Kopf gegangen war, als er im Zimmer Nummer 10 auf dem Fußboden gelegen hatte. Er wollte nicht daran denken, aber er würde sich in den kommenden Monaten weiter damit beschäftigen.
    »In Fuengirola gibt es eine schwedische Kirche«, sagte er.
    Angela schaute auf. Sie waren noch nicht ins Bett gegangen. Vielleicht würden sie hier sitzen bleiben, bis es Zeit war, zum Flugplatz zu fahren.
    »Möchtest du dort heiraten?«, fragte er.
    »Wen denn?«, fragte sie.
    »Mich, dachte ich.«
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