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Zimmer Nr. 10

Titel: Zimmer Nr. 10
Autoren: Ake Edwardson
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Stimme veränderte sich jäh, wurde die eines anderen. »Aber danach geht es nicht immer im Leben, oder? Man fängt doch nicht plötzlich an zu denken, nur weil man keine Lust mehr hat. Da droht man doch nicht gleich mit wer weiß wem zu reden. Mit dir zum Beispiel. Über mich! Er hat gedroht, es zu tun.« Börges Augen weiteten sich und blickten in die Ferne. »Eigentlich hat er es schon getan. Erinnerst du dich an die Martinssons?«
    Börge lächelte. »Klar erinnerst du dich an die! Du und dein Kollege, ihr seid ja rausgefahren nach Hisingen, weil jemand eine Auseinandersetzung gemeldet hatte.« Börge lächelte wieder. »Metzer war der Anrufer, aber das weißt du wahrscheinlich. Und ich war derjenige, der den Lärm veranstaltet hat! Eigentlich nicht ich. In dieser Wohnung war ich bloß, weil sie in der Nähe von Ellens Wohnung lag. Deshalb hatte ich die Martinssons kennen gelernt. Aber dieser Idiot Martinsson glaubte, ich würde mich für seine hässliche Frau interessieren.« Jetzt lächelte Börge nicht mehr. Er sah beleidigt aus, als fühle er sich missverstanden. »Wie konnte er sich das einbilden? Wie konnte der glauben, ich würde mich für jemand anders interessieren als für Ellen? Sie wohnte damals dort. Ellen und ihr verdammtes Bankert. Ich hab sie unter Kontrolle gehabt. Das war mein Recht. Das kapierte dieser Martinsson einfach nicht. Das kapiert nicht jeder.« Er nickte zu Winter.
    »Solche wie du zum Beispiel. Du bist nicht jeder, nicht?«
    Börge lächelte wieder sein Lächeln. Er schien noch etwas sagen zu wollen, aber dann schweifte sein Blick ab.
    »Genug geredet«, flüsterte er schließlich.
    Ich muss etwas sagen, dachte Winter. Es geht um Leben und Tod.
    Börge ging zu einem Plastiksack, der hinter der Tür stand. Winter konnte ihn aus dem rechten Augenwinkel gerade noch sehen. Börge bückte sich und steckte einen Arm in den Sack.
    Plötzlich hob er den Kopf. »Es ist was Besonderes mit diesem Zimmer, nicht wahr? Hierher ist Ellen in der ersten Nacht geflüchtet. Na ja, wenn das jemand weiß, dann du!«
    Ich muss etwas sagen, muss etwas sagen, muss etwas sagen, sag was, sag …
    »Jo… Jon… Jo«, sagte er. Es klang, als versuchte er zu pfeifen.
    Börge zuckte zusammen. Sein Arm steckte immer noch im Sack.
    Wenn er den Arm herauszieht, ist der Zug abgefahren, dachte Winter. Dann wird es eine Reise ohne Rückfahrkarte.
    »Jon… Jon…«, pfiff er wieder.
    Börge zog den Arm heraus. Die Hand war leer. »Was? Willst du was sagen, Winter?«
    Winter konnte nicht antworten. Er war erschöpft von dem einen Versuch. Aber der furchtbare Schmerz im Hals ebbte langsam ab. Und langsam kamen auch seine Gedanken wieder in Bewegung.
    Das Blaulicht huschte über die Vasagatan. Der Wind rüttelte daran, ließ es unregelmäßig kreisen, wie ein kaputtes Karussell. Zwei Funkwagen standen vor Börges Haus. Halders hatte die Autotür hinter sich offen gelassen, als er auf die Haustür zustürmte.
    In der Wohnung waren schon Beamte.
    »Die Wohnungstür stand weit offen«, empfing ihn der Polizeiinspektor.
    »Ist er hier?«, fragte Halders.
    »Die Wohnung scheint leer zu sein.«
    Halders betrat den Flur, der eine merkwürdige Krümmung machte. Er folgte ihr und bemerkte die offene Tür am hinteren Ende, er sah eine Uniform dort drinnen, er sah ein Gesicht, das sich ihm zuwandte. Er sah den Gesichtsausdruck.
    »Was ist?«, rief er und stürmte los.
    Noch im Laufen entdeckte er die Stricke, die Metallösen, die Arbeitsbank, die Körperteile, die Gussformen. In dem nackten Licht glänzte ein großer Fleck.
    Die Polizeiinspektorin hielt sich Nase und Mund zu. Halders sah nur ihre Augen.
    In dieser Kammer gab es nichts Lebendiges. Erik ist hier gewesen, dachte Halders. Er muss es gesehen haben. Es verstanden haben. Gewusst haben, wohin er als Nächstes fahren musste.
    An der rechten Wand stand eine Farbdose auf dem Fußboden, daneben lag ein Pinsel. Die weiße Farbe hatte ein fächerartiges Muster auf den Boden gespritzt, als der Pinsel weggeworfen wurde. An der Wand stand etwas, kreideweiß auf dem grauweißen Gips:
    MÖRDER
    Die einen halben Meter hohen Buchstaben bedeckten die ganze Wand. Farbe war auf den Fußboden geflossen und zu einem Teil des Fächers geworden.
    »Nach Erik ist noch jemand hier gewesen«, sagte Halders.
    *
    Börge kam auf ihn zu, beugte sich über ihn und hielt sein Ohr dicht an Winters Mund. »Vielleicht ist es besser, wenn du flüsterst?«
    »Jon…«
    »Jon? Was sagst du? Jon?«
    »Jon…
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