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Tangenten

Tangenten

Titel: Tangenten
Autoren: Greg Bear
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VORWORT
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    Was ist so faszinierend an der Science Fiction? Warum sind so viele von ihren Themen gefesselt, und warum denken einige Beharrliche immer noch von ihr als (im großen und ganzen) wertlosen Schund?
    Die Antwort, denke ich, liegt in der grundsätzlichen amerikanischen Dichotomie. Amerika war schon immer ein Land, das fest in der Zukunft steht, nicht in der Vergangenheit. Bei meinem jüngsten Besuch in England fand ich Dutzende von wunderbaren Buchhandlungen übervoll mit Vergangenheit – Räume, voll von antiker Geschichte und hoher Literatur in solch monumentalen Mengen, daß es einen schier überwältigt. In einer gewöhnlichen amerikanischen Buchhandlung mag Geschichte einige wenige Bücherschränke füllen. Die hohe Literatur hat ihren Ehrenplatz, aber die Taschenbücher des gegenwärtigen Jahres dominieren. Die Vergangenheit wird nicht mißachtet, aber sie zeichnet sich weder so deutlich in uns ab noch ist sie tief in unser Blut übergegangen.
    Amerika schwebt in einem andauernden grand Jeté in die Zukunft. Die Leute, die in der Zukunft leben, haben andere geistige Interessen als jene, die stets zurückblicken. Aber viele Amerikaner scheinen zu spüren, daß dies eine unnütze Art des Lebens und des Denkens ist. Sie sehnen sich nach den relativ unveränderlichen Freuden der Geschichte, nach bekannten und gut erzählten Geschichten, nach Nuancen statt nach groben Strichen. Sie sehnen sich nach einer Erforschung der Probleme der Vergangenheit, die zwar immer noch nicht gelöst sind, aber wenigstens den Anschein erwecken, lösbar zu sein.
    Für viele ist die Zukunft weitaus schrecklicher als die Vergangenheit. Die Zukunft ist nicht nur angefüllt mit Problemen – die Probleme können nicht gelöst werden, weil ein Großteil davon noch gar nicht bekannt ist. Die Zukunft ist kein abgegriffenes ledergebundenes Buch, welches man vor einem behaglich flackernden Kamin liest. Die Weisheit der Vergangenheit lehrt uns, daß schlimme Dinge passieren und unsere neu erworbenen Fähigkeiten weisen darauf hin, daß die schlimmen Dinge noch schlimmer werden. Optimismus ist eine schwierig zu bewahrende Geisteshaltung, wenn man Geschichte liest.
    Einige Amerikaner geben vor, daß sich nichts ändert oder daß das Beste bereits vorbei ist, und das, was vor uns liegt, am besten ignoriert wird, wenn auch nur aus Höflichkeit. Dieser Zustand ist anderswo nicht unbekannt. Aber in Amerika, unter den derart Geplagten, wird solches ernsthafter ausgesprochen. Mit so wenig Vergangenheit – lediglich einigen Jahrhunderten im Gegensatz zu Tausenden von Jahren – halten die Amerikaner an dem fest, was ist, und übertreffen in ihrem provinziellen Reaktionismus die Bürger jener Nationen, die Jahrtausende hinter sich haben.
    Aber für die vielen, die die Zukunft umarmen, die fühlen – wie naiv auch immer – daß es Wunder und Größe geben mag, hat sich eine Literatur erhoben, einst jung und voller Energie, ungestüm und schlicht, kommerziell und darauf zugeschnitten, einem breiten, wenn auch kritischen Publikum zu gefallen.
    Wir wohnen nun seit Jahrzehnten schon in einem Ghetto, das wir zum großen Teil selbst geschaffen haben. Aber die Mauern sind von außen verstärkt worden, durch eine schwindende, aber bis jetzt immer noch beeinflussende intellektuelle Elite, für die die Gestalt und die Themen der Vergangenheit alles sind, was zu erforschen ist. Die Science Fiction-Autoren haben lustig weitergeschrieben, haben sich ihren grundsätzlich kindlichen Charakter bewahrt, zeigten aber gleichzeitig die bemerkenswerte Fähigkeit, jene Menschen zu unterhalten, die die Zukunft machen.
    Ingenieure. Wissenschaftler. Computerprogrammierer und Designer. Astronauten und die Männer und Frauen, die deren Raketen bauen. Filmregisseure. Träumer für die die Vergangenheit, wie interessant sie auch sein mag, eine Art Gefängnis ist, aus dem wir alle ausbrechen müssen.
    Revolutionäre. Thomas Jefferson, Alexander Hamilton, Benjamin Franklin, Thomas Paine stellten sich eine Republik vor – und sie wurde Wirklichkeit. Jules Verne, H. G. Wells, Arthur C. Clarke, Robert Heinlein stellten sich ein Raumprogramm vor – und es wurde Wirklichkeit. Autoren stellen sich heute Hunderte von Zukünften im Jahr vor, Tausende in einer Dekade. Der größte Teil davon ist spielerischer Natur, um einen Abend mit nachdenklicher Unterhaltung zu verbringen. Und einige wenige sind mehr als das, sind ernsthafte Extrapolationen, die ernsthaft und nüchtern
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